zumikon | kultur und kommunikation

Ausstellung Verena Waffek „Siebentausendeinhundertsechsundzwanzig schöne Tage“.

Unter dem Titel „Kunst zwischen Apfelbaumrinde und Schüttelgelb“ schrieb Christian Mückl am 13. Juli 2018 in der Nürnberger Zeitung::

Diese Kunst huldigt der Klarheit: Verena Waffek eröffnet heute ihre Doppel-Ausstellung im Zumikon und in der Galerie Bernsteinzimmer.

Gerne geht Verena Waffek auf Tuchfühlung mit der Natur. Nicht nur, wenn sie zeichnet. Auch wenn sie näht: Der abgebrochene Ast vom Obstbaum wird dann schon mal warmherzig mit Stoff umgarnt. Ja, Waffek nimmt die Dinge inObhut. Wozu ein Zitat - aus Henry D. Thoreaus „Walden“ in der Ausstellung passt: „Ich begoss die roten Heidelbeeren, die Samtkirsche und den Nesselbaum, die Rottanne und Schwarzesche, den weißen Wein und das Gelbveilchen, die sonst in der trockenen Jahreszeit hätten verdorren können.“
Gräser, Blüten, Hölzer sind Waffeks Gespielinnen. Ihre Kunst ist ein Bekenntnis zum Glück der Bescheidenheit.
„Siebentausendeinhundertsechundzwanzig schöne Tage“ heißt ihre ungewöhnliche Ausstellung im Zumikon. Für eine Künstlerin, die sich meisterhaft auf das Auswählen und Verdichten versteht, ist das fast Wortballast. Dabei geht es um Sorgfalt. Denn irgendwie wollte sie die 20 Jahre doch unterbringen, in denen sie das Zumikon auch kuratorisch bespielte.
Ihre Schau ist als schöner Schlusspunkt zu sehen. Mäzen Volker Koch plant als Hausherr des nichtkommerziellen Kunstorts, sein Engagement zu verlagern. Gemeinsam mit Elke Schloter hat er eine Stiftung gegründet, um Künstlern anderweitig den Rücken zu stärken. Im Herbst will er das Vorhaben konkreter präsentieren.
Für Waffek, die seit den 80er Jahren in Nürnberg künstlerisch tätig ist und auch eine Kindermalschule im Galeriehaus Defet betreibt, waren die „7126“ Tage im Zumikon also erklärtermaßen „schön“.
Es gibt auch eine Installation dazu. Waffek hat für alle 162 Ausstellungen Karteikarten angelegt und in feiner Handschrift ihre Erinnerungen darauf vermerkt. Ein Tisch voller Türme aus anthrazitfarbenen Kartons ist entstanden.
Und weil die vielseitige Künstlerin nicht nur malt, zeichnet, Räume gestaltet und Schriften fertigt, sondern auch gut und gern Dinge verstrickt, gibt es einen Faden – zu Waffeks Nähtisch. Dort verpasste sie einem eleganten Samtkleid Pailletten: natürlich 7126 Stück. Schwarz-funkelnde Details einer sinnlichen Schau von intimem Charakter.
Alles Schrille bleibt draußen bei dieser Künstlerin, deren Farbkanon „serpentin grünlich, flammruß, schüttgelb, apfelbaumrinde“ heißt wie ein gleichnamiges Werk. Mobiliar einzubeziehen ist ihr wichtig. Aber auch Stille. Weshalb ein weißes Papier die Wand mit Zeichnungen ergänzt. Waffek: „Die Leere ist niemals leer.“ Ihre Parallel-Schau in der Galerie Bernsteinzimmer mutet mit Vitrinen voller bearbeiteter Stoffe, Pinsel, Zeichnungen und Objekten an wie ein Museum über die alte Zeit.
Ein Buch über die Lebensgemeinschaft der Shaker, die einfache Materialien schätzten, hat Verena Waffek inspiriert. Der Ausstellungstitel atmet diese Aura: „Wir machen uns Säfte, so süß wir sie lieben. Aus Walnußbaumspänen und Kürbis und Rüben.“

Ausstellung „RELEASE. Stephan Janitzky und Sebastian Stein“.

Unter dem Titel „Das Internet meint, es sei okay“ schrieb Christian Mückl am 22. Februar 2018 in der Nürnberger Zeitung:

50 Jahre alt oder jung? Zum Jubiläum hat das Nürnberger Institut für moderne Kunst an drei Orten Ausstellungen eingerichtet – mit junger Kunst. Das Motto lautet „Flirten mit dem Inventar“. Wohnideen für eine ruinöse Gegenwart“ verspricht der Untertitel dieses Kunstprojekts.

Dennoch sollten wir uns die Ausstellungstrilogie weniger als Einrichtungskatalog, sondern besser als Buch vorstellen. Als Buch mit vielen Siegeln zwar. Aber immerhin mit drei Kapiteln. Auf das Zumikon, das Galeriehaus Defet und das Foyer des Neuen Museums (NM) sind die Inhalte verstreut.
Sofern das Buch als Vorstellung und Lektüre nicht ohnehin längst ausgedient hat, in Zeiten von Facebook & Co. Auf einer wandgreifenden Fototapete, die jetzt im Galeriehaus Defet klebt, ist jedenfalls Facebook-Chef Mark Zuckerberg zu sehen. Der Netzwerkgott vor einer Menschenherde User, allesamt mit „Virtual Reality“- Brillen vor den Augen. Allesamt – außer ihm. Sollte der Facebook-Chef inzwischen der Einzige sein, der klarsieht? Gute Frage.
Aber auch so ein runder Geburtstag kann ins Grübeln bringen. Und das Institut für moderne Kunst wird immerhin 50 Jahre alt. Generation Schreibmaschine? Für Jüngere medial rasch ein altes Eisen. Also entschied sich Manfred Rothenberger als Direktor mit seinem Team nach dem ersten halben Jahrhundert der Einrichtung zur Flucht nach vorn.
Die meisten der zehn Künstler, die zum Ausstellungsprojekt „Flirten mit dem Inventar“ etwas beitragen, sind erst um die 30 Jahre alt. Da tändelt man noch ganz anders mit der Welt.
So weit, so spannend. Aber auch so bizarr. Von einer „größenwahnsinnigen Selbstentblößung“ vieler Künstler spricht Rothenberger über die Ergebnisse, die ihn selber überraschten. Was den Besucher der Ausstellungen aber auch nicht weiterbringt. Schon klar, dass Kunst eher Fragen stellen als Antworten geben kann. Aber wenn sie so autistische Züge trägt wie etwa in der Lounge des Zumikon, wo die Kunsttrilogie heute ihren Anfang nimmt (Infos rechts), ist es keinem zu verdenken, dass er kopfschüttelnd davonläuft.
Was Stephan Janitzky und Sebastian Stein zeigen, wäre mit trockenem Humor noch wegzustecken. Nur: So wie die Künstler als professionelle Baumarkttouristen die ästhetischen Vorzüge ihrer Raumskulpturen aus Katzenbaum und Blumentopf, Kabeln und Aluschienen streicheln und erklären, wird klar: Sie meinen es tatsächlich ernst. Im Untergeschoss haben sie Kartoffeln platziert, damit in der Präsentation „was wächst“. Unweit davon liegen Exemplare ihrer Kunstzeitschrift „muss sterben“ auf. Der Name sei der Suche nach einem „negativen Werbeslogan“ geschuldet, heißt es. Gefährlicher Titel – doch der Inhalt bleibt mild. Neben Fotos befindet sich ein Sammelsurium beliebiger Essays und Gedichte darin. Die Ausgaben von „münchen muss sterben“ und „sex muss sterben“ gelten als vergriffen. Werden wir das verschmerzen?
Als „Angebot, sich mit der Welt auseinanderzusetzen, die sich verändert“ sieht der Instituts-Direktor die Ausstellungstrilogie, die im Galeriehaus Defet und im NM gesellschaftskritischere Züge trägt. Bereits die Überschriften dort stehen dafür, „High Res Low Brow“ (Hohe Auflösung, kaum Kultur) im Galeriehaus und das Albert-Camus-Zitat „Der Mensch in der Revolte“ im NM.
Joshua Groß vom Institut sieht die junge Generation in der „Metamoderne“ angekommen. Sei es in der „Postmoderne“ noch möglich gewesen, eine ironische Distanz zu Nachrichten zu behalten, falle in der „Metamoderne“ die Unterscheidung von Wirklichkeit und Virtualität viel schwerer. Ein Rausch der Reize, der über die  User der medialen Netzwerke hereinbricht.
In diese Kerbe schlägt der Satz auf einer Wandtapete im Galeriehaus Defet: „Well The Internet Told Me It Was Ok“ („Das Internet meinte, es sei okay“). Überhaupt ist das recht kopflastige Konzept in diesem Raum ernüchternd. Kunterbunter geht es im NM zwischen Bildschirmen, Nebelmaschine und einer Trümmerlandschaft mit Liegestühlen zu. Daneben ragt eine Art monströses Hochglanz-Labor auf. „Dienstleister-Denkmal“ heißt das Werk, gekrönt durch eine hochgezüchtete, tote Ratte.
Nicht zur Ausstellung zählt die Fotoarbeit, die oben im Flur des Instituts hängt. Doch sie trifft das Dilemma auch des künstlerischen Flirts: „Entweder Problem oder Vorsprung“.

Ausstellung „RELEASE. Stephan Janitzky und Sebastian Stein“.

Unter dem Titel „Wo Utopien wie Seifenblasen zerplatzen“ schrieb Brigit Ruf am 22. Februar 2018 in den Nürnberger Nachrichten:

Seit 50 Jahren gibt es das Institut für  moderne Kunst in Nürnberg, eine bundesweit einzigartige Einrichtung, die Dossiers zu mehr als 24 000 bildenden Künstlern zusammengetragen hat und regelmäßig selbst Ausstellungen organisiert.

Zum Jubiläum zeigt man nun eine Dreifach-Schau — sehr jung, sehr ambitioniert. Die Welt wird immer unübersichtlicher, undurchdringbarer und komplexer. Die bildende Kunst auch. Mit nichts Geringerem als dem Zustand der Gegenwart wollen sich die zehn Künstler befassen, die das Institut nun für seinen Ausstellungs-Dreiklang nach Nürnberg eingeladen hat. Der älteste ist Jahrgang 1974. Zum Jubiläum setzt das altehrwürdige Institut also auf die ganz Jungen und verzichtet auf einen thematischen roten Faden, der die Präsentationen zusammenhält. Beides ein Risiko Man wollte als Kuratoren kein Motto, kein Thema, keine Richtung vorgeben, weil das den Künstlern und der Kunst schon wieder Vorgaben überstülpen würde, argumentiert Institutsleiter Manfred Rothenberger. Dem Publikum tut man damit aber keinen Gefallen, lässt es mit hermetischen
Werken und Sätzen wie diesen allein: „Die Zeit scheint reif (...) die Inneneinrichtung des Jetzt neu zu denken“.
Stephan Janitzky und Sebastian Stein versuchen das im Zumikon unter anderem mit katzenbaumähnlichen Installationen aus Expandern, Röhren, Holzstäben und anderen Artikeln aus dem Baumarkt, flankiert von Zimmerpflanzen, Kartoffeln und Batiktüchern.
Und nein, das ist weder witzig noch sinnlich noch irgendwie sinnstiftend. Im Defet-Atelierhaus tauchen vier Künstler in die virtuellen Welten der von ihnen diagnostizierten Metamoderne ein — etwa mit wandfüllenden Twitterposts oder dem Bild der Realität, an der Utopien wie Seifenblasen zerplatzen.
„Der Mensch in der Revolte“ ist Thema im Neuen Museum, der größten Station mit Werken von fünf Künstlern.
 Hier hat unter anderem Jonas Roßmeißl sein erschreckend faszinierendes Monument für das „Dienstleistungsproletariat“ aufgebaut — mit einer präparierten Ratte als Sinnbild für den Arbeiter, der unter die Räder seines Förderbandes gekommen ist. Der Titel des Jubiläums-Projektes klingt — wohl weil es mit dem Literaten Joshua Groß ein Mann des Wortes verantwortet — verheißungsvoll und publikumsnah: „Flirten mit dem Inventar — Wohnideen für eine ruinöse Gegenwart“. Hinter der schönen Wortfassade aber stecken keine Möbelvisonen für Ottonormalbürger, sondern sperrige Arbeiten, die ein intellektuell überfrachtetes Konzept zusammenhalten soll — zugeschnitten auf ein elitäres Publikum. Die Dreierschau hält nicht, was ihr Titel verspricht.

Ausstellung Jenny Schäfer vom 1. Juli bis 1. Oktober 2017

Unter dem Titel "Dem Fließenden und Flüchtigen auf der Spur" schrieb Bernd Zachow am 3.7.2017 in den Nürnberger Nachrichten:

Eine entschiedene Stellungnahme gegen den fotografischen Illusionismus sind die Arbeiten der Hamburger Foto- Künstlerin Jenny Schäfer, die das Institut für moderne Kunst im Zumikon zeigt.
In den Jahren 1928/29 malte der belgische Surrealist René Magritte sein heute weltweit berühmtestes Bild. Zu sehen ist die plakative Darstellung einer banalen Tabakpfeife. Darunter hat der Maler fein säuberlich auf die Leinwand geschrieben: „Ceci n’est pas une pipe“ (Das ist KEINE Pfeife). Fast neun Jahrzehnte später ist das immer noch ein Thema. Auch Jenny Schäfer, Jahrgang 1985, verneint per Bildunterschrift alle vermeintlich offensichtlichen Inhalte ihrer Farbfotografien. „No home“, „no heaven“, „no moon“, steht in goldgeprägten Buchstaben unter sorgfältig bearbeiteten Bildern eines gutbürgerlichen Wohnzimmers, eines wolkigen Himmels und einer blassen Mondsichel. Die Botschaft ist klar: Ein Bild ist ein Bild, ist zunächst nichts weiter als gestalterische Flachware. Alles andere ist alles andere. Was ein Bild reflektiert, ist allenfalls von feinstofflicher Art und hat nur sehr bedingt etwas mit dem real existierenden Bildmotiv zu tun. So definiert Jenny Schäfer zum Beispiel ihr reges künstlerisches Interesse an Höhlen und Grotten aller Art als Ausdruck ihrer „ängstlichen“ Wesensart und ihrer anhaltenden Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit.
Von Schäfers Träumen und Hoffnungen, von ihrem intensiven Nachdenken über das Vergängliche und das Bleibende zeugt ihre bildnerische Vorliebe für allerlei symbolträchtige Darstellungen des Fließenden und Flüchtigen, des Ruinösen und Verwitterten. Diese fotografischen Dokumente der Zeitlichkeit kombiniert die Künstlerin gerne mit kleinen Artefakten, die fassbar Dauerhaftigkeit beweisen. Unter einem schattenhaften Bild, das allenfalls einen Augenblick subjektiven Erlebens festzuhalten versucht, sind da materiell höchst solide Fundstücke (etwa ein hübsch marmorierter Kieselstein) an der Galeriewand befestigt.
Jenny Schäfers demonstrative Distanzierung von der Bild-Illusion ist andererseits ein Bekenntnis zum Bild als Mittel individueller Weltaneignung. Für das menschliche Denken und Fühlen sind Bilder in den unterschiedlichsten Formen eine unabdingbare Voraussetzung. Nur mit der Hilfe von Bildern gelingt uns eine persönliche Verortung in dieser ungemein komplexen Welt, die uns umgibt. Damit ist die Funktion des Bildes dann allerdings auch erschöpft. Ob uns die Welt letztlich Heimat ist oder Horror, ob das Leben gelingt oder nicht, das ist eben nicht (nur) von unseren Wünschen und Vorstellungen abhängig.
Die aktuelle Ausstellung im Zumikon ist ein Projekt im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Aus Gründen“ anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Nürnberger Instituts für moderne Kunst. Ein erklärtes Ziel der Gesamtaktion ist es, „berechtigte Zweifel“ an vielen traditionellen und zeitgenössischen Positionen in der Kunstpraxis und Kunstvermittlung zu wecken. Im vorliegenden Fall ist das sicher gelungen.

Ausstellung Michael Hakimi / Alexandra Hojenski und Julia Liedel vom 21. April bis 28. Mai 2017

Unter dem Titel "Rein in den Raubtierzwinger" schrieb Bernd Zachow am 25.4.2017 in den Nürnberger Nachrichten:

Dass geistig und materiell ummauerte Lebensräume ein Gefühl von Schutz vermitteln können, manchmal aber auch als Gefängnis empfunden werden, veranschaulicht eine vom Institut für moderne Kunst kuratierte Ausstellung im Zumikon.
Michael Hakimi, seit 2011 Professor für Freie Kunst mit dem Schwerpunkt Malerei an der Nürnberger Kunstakademie, sowie das Studentinnen-Duo Alexandra Hojenski und Julia Liedel zeigen Bilder und eine ausgedehnte Raum-Installation, welche den komplexen Zusammenhang von Ein- und Ausgrenzung beleuchten. Hakimi präsentiert eine Art Tagebuch alltäglicher Erfahrungen in Form von 18 äußerst sorgfältig ausgeführten Bleistift- Zeichnungen. Satirisch überspitzt und leicht surreal verfremdet schildert der Künstler allerlei mehr oder minder spektakuläre Versuche, räumliche, gesellschaftliche und emotionale Mauern zu überwinden.
Da gibt es die Zeichnung eines exklusiv gekleideten jungen Mannes, der mithilfe einer schlichten Brechstange seinem offenbar allzu geordneten, allzu überschaubaren Dasein im goldenen Käfig entrinnen will. Eine andere Strichzeichnung dokumentiert den Befreiungsschlag einer gutbürgerlichen jungen Frau, bei dem ein Laptop als Waffe zum Einsatz kommt. Noch viel komplizierter und auch letztlich riskanter als der Drang aus einer privilegierten Innenwelt in ein Draußen, in dem vermeintlich nur Freiheit und Abenteuer warten, ist der umgekehrte Weg, der den Wechsel aus der Welt der gesellschaftlichen Outsider in eine rundum gesicherte Insider-Existenz zum Ziel hat. Michael Hakimi dokumentiert die Ochsentour zu den Orten des Drinnen- und Dabeiseins sehr anschaulich. Aus seiner Sicht stößt der Mensch, der nach dem Höheren strebet, an allen offiziellen Grenzübergängen zwischen den Gesellschaftsklassen auf raffinierte Drehkreuze, in denen er sich allzu häufig heillos verfängt.
Der Ausstellungsbeitrag der beiden Akademie- Studentinnen Alexandra Hojenski und Julia Liedel bringt einen Aspekt von Michael Hakimis Zeichnungen in die dritte Dimension. Die Künstlerinnen haben einen Treppen- und einen Kellerraum in eine beunruhigende Mischung aus getarntem Rückzugsort und Raubtierzwinger verwandelt.
Folgt der Ausstellungsbesucher einer Spur aus gelbem Sand, gelangt er über eine Bodenluke in eine nur schwach beleuchtete Höhle. Die (trotz einiger herumliegender Stahlrohr- Skelette) fast heimelige Atmosphäre wird durch die Präsenz von gitter-, netz- und fallenartigen Objekten empfindlich gestört. Das subtil Beunruhigende der Aufbauten verstärkt eine Klang-Installation aus permanentem Scharren, Klopfen, Jaulen und Knurren. Hojenski und Liedel pflegen einen rundum erfreulich intelligenten Umgang mit vieldeutigen Zeichen und Symbolen. Auf diese Weise kann ihre Kunstpraxis inhaltlich ebenso überzeugen wie formal.

Ausstellung Giorgio Hupfer vom 23. September bis 30. Oktober 2016

Unter dem Titel „Manche boxen, andere beten“ schrieb Christian Mückl am 24.9.2016 in der Nürnberger Zeitung:

Als Giorgio Hupfer 2012 in Nürnberg seiner schweren Krankheit erlag, starb ein großartiger Erzähler. Ein Mann der Rollenspiele. Und ein Pfadfinder der Gegensätze – zwischen Zeichnung und Malerei, Performance und Show, Dichtung und Musik. Hupfer war zwischen Laut und Leise unterwegs. In Franken 1958 geboren, vom Herzen und Stil her eher ein Süditaliener, entwarf er seine Kunst akribisch, wenn man so will, mit mafiöser Konsequenz. Den halben Hupfer gab es nicht: Eine mögliche Erklärung für die Aura seiner Werke, mit denen er manches schöne Rätsel hinterließ.
Gegensätzlicher könnten die beiden Arbeiten aus der Sammlung des Zumikon-Hausherrn Volker Koch kaum sein, der dem Verstorbenen freundschaftlich verbunden war. Das Boxkampf-Ensemble ist multimedial, von hitziger Aufgeladenheit und monumental. Ganz anders Hupfers Versbilder zum Matthäus-Evangelium: filigrane Schriftwerke, klassischer Strich.
Die Bibel-Adaption entstand im Jahr 2009. Eine Indienreise ging voran. Hupfer, der dem Weltläufigen so aufgeschlossen gegenüberstand wie dem Transzendenten, las im Neuen Testament. Die Verse „Vom Schätzesammeln und Sorgen“ passten gut zur damaligen Wirtschaftskrise. Und als bewährter Stilist des Erhabenen, der noch dazu die Kunst einer markanten Handschrift pflegte, bannte er die Bibelsätze auf Büttenpapier. 16 kalligraphisch anmutende Schriftbilder sind auf diese Art entstanden, indischen Meditationstafeln gleich. Die Blattränder beschriftete Hupfer jeweils mit Versen, weshalb die Bildmitte eine lichte Rahmung durch die Sprache erfuhr, eine Weißfläche im Zentrum. Platz für unsichtbare Bilder im Bild. Bilder vom Verschwinden und Bilder der Vergänglichkeit hatten Hupfer seit jeher beschäftigt.
Die Boxkampf-Arbeit mit dem (bis heute rätselhaften) Titel „Yvonne“ war wiederum 1992 in der Galerie von Traute Näke ausgestellt. Volker Koch kaufte die Arbeit, und ja: hat sie seither um sich. Denn der vom Künstler extra entworfene Holzkistenturm, in den alle Einzelteile passen, steht seit damals wie ein gutes Möbelstück in Kochs Büro.
In der Arbeit geht es um die Ehrfurcht vor dem Kampf und um die Stärksten dieser Sportart. Um die tropische Hitze und um den Stolz der jeweiligen Ethnien, wenn einer „der ihren“ gewann. Konkret kreist Hupfers Werk um zwei fiebrige Spektakel: Den „Thrilla in Manila“, als 1975 Muhammad Ali gegen Joe Frazier antrat. Und den „Rumble in the Jungle“ von 1974, bei dem Muhammad Ali in Kinshasa um vier Uhr früh Ortszeit gegen George Foreman die Handschuhe erhob.
36 Gedenktafeln aus Gips tragen die Namen bedeutender Boxkämpfer jener Zeit. Einige Tafeln sind noch leer – für kommende Helden. Ein Foto zeigt Nationalflaggen, ein Standbild den tropischen Regenwald. Am packendsten aber ist es, Hupfers tiefer Lesestimme vom Band zu lauschen, wie er aus einem englischen Buch über die Regenzeit unter afrikanischem Himmel rezitiert. Ein Wanderer zwischen den Künsten, der sich ein Wettergemälde aus Worten malt. Es regnet Bilder.

Ausstellung Bernd Klötzer vom 10. Juni bis 28. Juli 2016

Unter dem Titel "Wie Bernd Klötzer das spröde Eisen besiegt" schrieben die Nürnberger Nachrichten am 14.6.2016:

In vielerlei Hinsicht eine gewichtige Ausstellung: Dem international renommierten Nürnberger Künstler Bernd Klötzer geht es in seiner Arbeit um die ästhetische Veranschaulichung des Schmiedens als Prozess. Was dabei herauskommt, wenn der Mensch die tonnenschwere, spröde Natur des Eisens besiegt und in Kunst verwandelt, ist derzeit im Nürnberger Zumikon zu sehen. Der 74-Jährige zeigt neben seinen „Schmiede-Stücken“, die er seit 1991 geschaffen hat, außerdem großformatige Zeichnungen.

Ausstellung Bernd Klötzer vom 10. Juni bis 28. Juli 2016

Unter dem Titel "Wie man eine Tonne Eisen in Kunst verwandelt" schrieb Bernd Zachow am 14.6.2016 in den Nürnberger Nachrichten:

Wie menschliches Können die spröde Natur des Metalls besiegt, zeigt eine Ausstellung des international renommierten Bildhauers Bernd Klötzer im Zumikon.
Nicht direkt heimlich, aber allemal still und leise, wie es seine Art ist, schuf Bernd Klötzer seit 1991 eine in mehrerer Hinsicht gewichtige Serie von Schmiede-Arbeiten, die er jetzt zum ersten Mal „en bloc“ präsentiert. Ausgangsmaterial all der gezeigten Werkstücke sind Eisenteile, die auf das menschliche Maß zugeschnitten wurden. Das heißt, es handelt sich um Material-Mengen, die der mittlerweile fast 75-jährige Künstler auch heute noch ohne fremde Hilfe bewegen kann.
Das gestalterische Konzept zielt eigentlich nicht auf das Schaffen von Kunstwerken im herkömmlichen Sinn. Bernd Klötzer will auch keine Schwerter und keine Pflugscharen schmieden, keine Ketten und Tore, bei ihm geht es um die ästhetische Veranschaulichung des Schmiedens als Prozess. Gezeigt wird letztlich die Formgebung (Verformung) des im hochgradig erhitzten Zustand extrem dehnbaren Stoffes Eisen.
Da gibt es zum Beispiel zwei Roheisen- Quader von exakt gleichem Maß und Gewicht, die einen kleinen Turm bilden. Das eine Teil hat der Künstler einer Hitze von einigen hundert Grad ausgesetzt und mittels einer Stahlpresse zu einem kissenartigen Gebilde gestaucht. Nach dem langsamen Erkalten wurde dann das nach wie vor scharfkantig-rechteckige zweite Element auf das verformte gesetzt. So entstand der Eindruck, die Last des oberen Körpers drücke den (gleichgewichtigen) unteren Körper nach allen Seiten auseinander.
Kunst-Machen ist für Klötzer in erster Linie eine Material-Verwandlung und -Veredelung, ein quasi alchemistischer Vorgang, der in der Schmiede- Technik besonders deutlich erkennbar wird. Nicht von ungefähr tauchen mehr oder minder übermenschlich begabte Schmiede-Meister in antiken Mythen auf. Im klassischen Griechenland zauberteHephaistos wahre Wunderwerke aus Metall, und in den Ländern des europäischen Nordens verbreitete sich die Kunde von der Schöpferkraft des Schmiedes Wieland. Der Gewalt-Akt des Schmiedens, bei dem menschliches Wollen und Können die spröde Natur des Metalls besiegt, fasziniert Bernd Klötzer nicht weniger als die Menschen früherer Zeiten.
Beim konzeptuellen Durchspielen des technisch Möglichen bei der zweckfreien (Weiter-)Verarbeitung von Eisen-Rohlingen in Block- und Stangenform kommt der Künstler immer wieder zu erstaunlichen Ergebnissen. Er demonstriert eben doch nicht nur, wie willig sich das vermeintlich ganz Harte unter bestimmten Umständen dehnen und biegen sowie lang und breit klopfen lässt. Fast beiläufig enthüllt er dem Betrachter auch die Schönheit und natürliche Würde des Materials.
Das spannungsvolle Nebeneinander von wunderbar blauschwarz schimmernden Oberflächen und samtig-matten oder gar blattvergoldeten Teilen vermittelt den Eindruck eines Zusammenpralls von kalten und heißen Elementen. Aber am meisten beeindruckt, wie zart und zerbrechlich das Eisen wirken kann. All das Lastende und Schwere des Grundstoffs scheint durch die Bearbeitung von Künstlerhand aufgehoben.
Bernd Klötzer kennt freilich Menschen, die seine Schmiede-Stücke trotz ihrer sinnlich erfassbaren Qualitäten allzu analytisch finden. Um das Verständnis dieser Betrachter wirbt er in seiner aktuellen Ausstellung mit seinen höchst ansprechenden großformatigen Zeichnungen, die überdies in aller Regel die (unschwer nachvollziehbaren) gestalterischen Ideen und Prinzipien der Skulpturen verdeutlichen.

Ausstellung Isi Kunath und Susanne Carl mit Bruno Weiß

Unter dem Titel "Von Menschen und Masken" schrieb Christian Mückl am 27.4.2016 in den Nürnberger Nachrichten:

Masken verhüllen Menschen und enthüllen Momente. Wie – das führen Susanne Carl mit Bruno Weiß sowie Isi Kunath in einer gelungen Doppelschau im Zumikon vor Augen. 
Was macht sie denn für ein Gesicht? Susanne Carl macht viele Gesichter. Und Bruno Weiß fotografiert sie.
Das Gesicht der Tippse, die im Computerraum auf den Tisch steigt und tut, als würde sie fliegen. Das Gesicht des Bobbycar-Verkäufers, der das einzige blaue Auto vor einem Regal voller roter herzt. Oder das Gesicht eines Engels, der seine Füsse – in Unschuld? – wäscht. Jedenfalls im Waschbecken.
Susanne Carl macht Masken. Stellt sie her. Performt mit ihnen. „Ich denke mit den Händen“, sagt die in Nürnberg lebende Künstlerin (Jahrgang 1962), aus deren Kunst eine feinsinnige Beobachtungsgabe spricht. Es sind Inszenierungen von Augenblicken, die „von kleinen Fluchten und großen Zusammenbrüchen, der Banalität unserer häuslichen Verrichtungen und allgegenwärtiger Melancholie“ erzählen, wie Thomas Heyden im Katalog schreibt.
Der druckfrische Katalog wiederum, der schon im Titel „Ich bin nicht auf dieser Welt“ die innerlichen menschlichen Spannungsbögen – Einsamkeit, Glück, Verträumtheit – benennt, flankiert die Schau. Mit Rollenklischees zu hantieren und diese bewusst auszuformen, damit hat Carl Erfahrung. Das „Rote Nase Clowntheater“ hat sie mitgegründet. Sie ist die Kunstfigur „Rosie“ und hat als Maskenbildnerin am Staatstheater gearbeitet. Als Glücksfall erwies sich das Zusammentreffen mit dem Fotografen Carl Weiß (Jahrgang 1951). Seit 2012 genießt sie, was sie „Bilder machen mit Bruno“ nennt.
Im Zumikon darf man angerührt sein und muss sie doch aushalten, die Menschenporträts mit Maske. Bei denen man das Gefühl nicht los wird, intimen Momenten beizuwohnen oder auch sehr komischen. Flüchtige Situationen zu beobachten, in denen der Mensch gerade „nicht ganz bei sich“ ist – und doch da. Dass Carl ursprünglich Malerei studiert hat, merkt man den trefflich erarbeiteten Bildkompositionen an.
Umgekehrt geht die Künstlerin Isi Kunath (Jahrgang 1963) vor. Wo Carl enthüllt, indem sie Rollen aufdeckt, verhüllt Kunath, indem sie in Bildmotive schlüpft. Um eine „zweite Schicht der Dinge“ kennenzulernen, wie sie sagt. „Dinge“ betrachtet sie als „Stellvertreter für Abwesendes“.
Kunaths retrospektive Schau offenbart einen Fundus aus Collagen, Fotoarbeiten, Zeichnungen, Rauminstallationen, Fundsachen und Malerei. Wiederkehrende Motive der vielseitigen Künstlerin, deren Arbeiten eine Art Archäologie der Erinnerung zugrunde liegen („Ich grabe immer“), sind Mensch, Tier, Natur. Auf einer Fotoarbeit sehen wir sie buchstäblich als Bienenkönigin zwischen Bienenkörben thronen. Wo der Mund ist, hat sie eine Wabe. Eichhörnchenspuren fließen in Gezeigtes ein. Auch sonst brechen weiche Tierkörper in ihren Bildern oft den strengen Hintergrund auf. Dazwischen eine Frau, die auf Rosen schießt. Und eine antike Skulptur mit vernarbter Visage wird von Kunath geküsst.
Sie ist eine Geschichtenerzählerin: „Etwas muss raus“, gesteht sie. Anderes darf rein – auch dafür trägt sie Sorge. Denn Kunath ist auch die neue Gastronomin im Zumikon, wo sie unter dem Namen „Johan. Speisekammer mit Garten“ Natur, Kultur und Mensch zusammenführen will, mit Kuchen, Getränken und kleinen Speisen. Wer ihre Kunst kennengelernt hat, wundert sich auch nicht mehr darüber, dass „Johan“ ein Eichhörnchen im Logo führt.

Ausstellung Jonas Tröger und Tal R vom 4. Februar bis 2. April 2016

Unter dem Titel "Dada kommt die Kunst im Doppelpack" schrieb Christian Mückl am 5.2.2016 in den Nürnberger Nachrichten / Nürnberger Zeitung:

Hundert Jahre und ein Buchstaben-Paar: Dada hat als künstlerische Munition viele befeuert. In Nürnberg juckt der Stoff erneut. Die Doppelschau im Zumikon stellt sich so mancher Wahrnehmung quer.
Ein Buch, ein Mann und ein Federmesser, auf den Tag genau ist das ein Jahrhundert her. Am 5. Februar 1916 soll der Schriftsteller Hugo Ball spitz in ein französisches Wörterbuch gestochen haben. Er berührte die Vokabel für Steckenpferd: „Dada“. Ein Volltreffer. Und ein Galoppsprung der Kunstgeschichte: Von der Zürcher Spiegelgasse 1 aus, wo sich die Dadaisten- Zentrale Cabaret Voltaire befand, sollte die Sache weltweit Kreise ziehen. Als Kunst, die sich formal der Kunst verweigerte. Als Protestnote der Poesie. Freie Geister sattelten das Steckenpferd – so weit, so wild.
Eine Frau, ein Mann und wieder ein Buch – hundert Jahre später im Nürnberger Zumikon. Die Kreativzelle aus Sarah Bogner und Josef Zekoff hat sich im selbst geschaffenen Kleinverlag Harpune Wien erneut Hugo Balls legendärem Dada-Roman „Flametti“ von 1918 angenommen. Ein Mordsaufwand für die kostbare Auflage von nur 30 Stück. Eine akribische Arbeit, selbst gesetzt und mit textil genähtem Umschlag. Den Inhalt des Buchs, diese illustre Bohème-Story aus dem Kiez des Varietés, kleidete der zeitgenössische Künstler Tal R aus.
Für das Ausstellungsprojekt „Flamingo Flametti“ fungiert das Werk nun als fantastische Steilvorlage. Das Nürnberger Institut für moderne Kunst präsentiert die erweiterte Besetzung: Sarah Bogner mit elektronischer Vaudeville-Musik, Josef Zekoff mit Spiegelholzschnitten und Axel Heil mit einer Dada-Collage kommen hinzu, um Tal Rs malerischen und skulpturalen Jahrmarkt der Doppeldeutigkeiten im Engtanz zu flankieren. Dass in den Studioraum nur rund 40 Leute passen, so wie einst ins Cabaret Voltaire, ist ein schönes Schicksal.
Augenfälliges Meisterstück von „Flamingo Flametti“ sind Tal Rs flirrende Skulpturen. Räumlich mag man diesem farbigen Gestaltenpark, dessen Protagonisten sich schon mal kettenkarusselgleich um die eigene Achse drehen, womöglich noch ausweichen. Sinnlich ist es fast unmöglich, sich ihrer Wirkung zu entziehen.
Der als Tal Rosenzweig 1967 in Tel Aviv geborene Wahl-Däne Tal R hebt Motive und Gestalten beiderlei Geschlechts auf den Sockel, in kunterbunter, assoziativer Form. Namensfähnchen helfen beim Identifizieren der Romanfiguren. Der Dealer Mehmet ersteht zum Beispiel als kubusförmige Knastarchitektur wieder auf.
Seinerzeit als Seitenhieb auf die Dada-Bewegung entstanden, machen sich Tal R und Konsorten ihren Reim auf das Dandystück voll expressiver Pointen. Sie geben einen Ball der Bälle für Hugo Ball.
„From Sperm to Urn“ wiederum hat Jonas Tröger (geboren 1991 in Erlangen) seine Schau überschrieben, was seine abstrakte Installation über drei Etagen gut definiert. Tröger treibt sein Spiel mit Assoziationsflächen, etwa indem er eine vierhundertfach vergrößerte Aufnahme einer abgebrochenen Bleistiftmine zeigt. Mondlandschaft? Bleiwüste? Wann wird ein Bild zum Bild?
Objektkunst, Multimedia, Architektur, dazu 100 lebende Urzeitkrebse als Sinnbilder des Werdens und Vergehens stecken in der Präsentation. Wie entsteht Kunst? Welche Rolle spielt der Zufall? Fragen über Fragen. Antworten? Mehr Dada als dort.

Ausstellung Michael Seidner und Lydia Daher vom 18. Juni bis 1. August 2015

Unter dem Titel "Höhlengeister und Gedichte" schrieb Regina Urban am 20.6.2015 in den Nürnberger Nachrichten:

Starke Doppelschau: Michael Seidner und Lydia Daher stellen im Zumikon aus

Mit Lydia Daher und Michael Seidner präsentiert die neue Doppelausstellung im Zumikon zwei Künstler, die man sich unbedingt merken sollte. Daher, in Augsburg lebende Lyrikerin, Musikerin und Künstlerin, ist keine Unbekannte mehr. Seidner, der bei Michael Hakimi in Nürnberg studierte, gilt es noch zu entdecken.
Gerade vier eher kleinformatige Bilder zeigt der 30-jährige Maler in der sorgfältig zum intimen White- Cube umgestalteten Zumikon-Lounge: Jedes für sich auf einer großen weißen Wand. Und mehr braucht es nicht, mehr darf es gar nicht sein, denn Michael Seidners Werken wohnt eine Kraft inne, die man durchaus magisch nennen kann.
In „Ghost“ prallen starke Farbkontraste aufeinander und scheinen einen Raum zu öffnen. Ein anderes Bild zeigt sanft von goldenem Licht beschienene Nebelschleier. „Kreuz“ gleicht einer großen exotischen Blüte, in „Der Denker“ streben körperhafte Formen von den Bildrändern ins Zentrum.
Was die mit dem Oil-Stick geschaffenen Bilder so anziehend macht, ist ihre archaische Anmutung. Oft sieht man Kratzspuren, die raue, haptische Qualität resultiert aus vielfach aufgetragenen und wieder abgeschürften Farbschichten. Als wären diese Bilder nicht auf Leinwand gemalt, sondern auf porösem, steinernen Grund. Und wenn man weiß, dass Seidner von Höhlenmalerei fasziniert ist, erscheinen plötzlich auch diese Bilder wie geheimnisvolle Boten aus einer vergangenen Zeit.
In eine ganz andere Welt entführt die Ausstellung im Studio. Die 1980 geborene Deutsch-Libanesin Lydia Daher ist als Sängerin und Lyrikerin ein Ausnahmetalent. Eingeladen vom Institut für moderne Kunst versammelt die Präsentation Collagen aus ihrem 2014 veröffentlichten Band „Und auch nun, gegenüber dem Ganzen – dies“. Ein sperriger Titel, in dem aber bereits jene Zartheit anklingt, die Dahers wundersame Bild/Text-Collagen auszeichnet.
Das Material dafür entstammt dem Alltag – in Zeitungen erschienene Literaturkritiken und in derselben Ausgabe gefundenen Fotos. Daher hat alles in Schnipsel zerlegt, Worte und Bilddetails ausgeschnitten und neu zusammengefügt, gleichsam verwandelt in ein poetisches Bildertagebuch von ungeahntem Zauber. „. . .und was ist mit uns? Wir, Flüchlinge der Gegenwart, die in der Zeit rückwärts laufen . . .“ lautet eine Zeile aus ihrer Cut-up-Lyrik, in der sich stets Lakonie mit Melancholie und einer leisen Komik paart.
Eigens für die Ausstellung ließ Daher zudem eigene Gedichtzeilen von dem amerikanischen Zeichner Warren Craghead visualisieren: Die feinen Zeichnungen, in denen der Text manchmal völlig zersplittert, ergeben fast eine neue Form der Konkreten Poesie. Mit dem Münchner Fotografen Gerald von Foris gestaltete sie den Zyklus „Frisches Trauma“ aus Fotos und lyrischen Texten. Egal, was sie macht, Daher lädt uns ein, die Poesie im Alltäglichen zu entdecken.

Ausstellung Minna Kim und Jan Träumer vom 24. April bis 30. Mai 2015

Unter dem Titel „Willkommen in der ‚Mina-Welt‘“ schrieb Bernd Zachow am 30. April 2015 in den Nürnberger Nachrichten:

Kühle, klare und stille Bilder, die ihre fernöstlichen Wurzeln nicht verleugnen, zeigt die koreanische Künstlerin Mina Kim in der Lounge im Zumikon.
Mina Kim orientiert sich an der traditionellen Malerei Koreas, die keine Naturnachahmung im europäischen Sinn kennt. Wie die alten Meister in ihrer Heimat malt sie ihre Landschaften, Architekturen und Still-Leben nicht vor der Natur, sondern aus der Erinnerung und aus der Vorstellung, ohne Zentralperspektive, ohne optische Verkürzungen und ohne Schattenwurf.
Malerei ist für die 1983 geborene Künstlerin eine Komposition aus Pinsel-Zeichen, die vielleicht an die eine oder andere Erscheinung in der Wirklichkeit erinnert, aber diese Erscheinung nicht illusionistisch abbildet. Was sie mit dem Tuschepinsel auf schwere, handgeschöpfte Papiere eher schreibt als malt, ist ihre ganz eigene, ihre „Mina-Welt“, wie sie sagt.
In der Zumikon-Lounge hängen teilweise sehr großformatige Arbeiten, die aus Unmengen von winzigen Tusche-Rechtecken und Strichelchen aufgebaut sind. Das Motiv entsteht durch eine differenzierte Verdichtung dieser Grundelemente und durch die Aussparungen zwischen den Zeichen-Zusammenballungen.
„Ich suche die Struktur im Chaos und versuche dann, diese harmonisch aufs Papier zu bringen“, erklärt sie: „Millionen verschiedener Grau-, Schwarz- und Weißtöne bilden eine harmonische Beziehung und ein malerisches Objekt.“ Die Bild-Titel verweisen auf die Erinnerungen an sehr reale Dinge, die in der Künstlerin während der meditativen Arbeit an ihren Bildern aufgestiegen sind.
Da gibt es Erinnerungen an die Strukturen von Haar und Fell, an die Granitquader, aus denen die Gebäude auf dem früheren Nürnberger NS-Reichsparteitagsgelände aufgebaut sind, an den Funkenflug eines Silvester-Feuerwerks hoch über der Stadt, aber auch an eine quasi endlose Reihe von Fußspuren im Sand.
„Wenn ich vor der weißen Fläche des Papiers stehe, sehe ich vor meinem inneren Auge, was für andere noch nicht erkennbar ist.“ Der eigentliche schöpferische Akt, der sich meist über viele, viele Stunden hinzieht, ereignet sich dann fast wie von selbst. Die Künstlerin muss es nur geschehen lassen.

Ausstellung Lena Mayer / Marco Stänke und Constantin Luster vom 30. Januar bis 21. März 2015

Unter dem Titel "Kunst, die Grenzen überschreitet" schrieb Bernd Zachow am 30. Januar 2015 in den Nürnberger Nachrichten:

Einen erfrischend unkonventionellen Umgang mit traditionellen Bild Medien wie Zeichnung, Malerei oder Fotografie zeigen die Arbeiten junger Künstler in zwei neuen Ausstellungen im Zumikon.
Eine leichte, heiterbeschwingte und rundum liebenswerte Installation des Österreichers Constantin Luser ist im Ausstellungsraum des Instituts für moderne Kunst zu sehen. Der 1976 in Graz geborene Luser ist ein ebenso fleißiger wie einfallsreicher Zeichner. Unablässig füllt er seit Jahren seine Skizzenbücher mit linearen Kompositionen aus abstrakten Zeichen, Buchstaben, Formeln, Chiffren, vermengt mit figurativen Elementen und allerlei grafischen Fundstücken. Zur weiteren formalen Verdichtung bedient er sich in jüngster Zeit zwar auch des Computers, doch hat das hochtechnische Medium bei ihm stets nur den Rang eines Hilfsmittels.
Dieses kommt vor allem bei den komplexen Entwürfen für Lusers Drahtplastiken zum Einsatz. Der Künstler überträgt nämlich viele seiner auf den ersten Blick verwirrend vielschichtigen Liniengefüge in die dritte Dimension.
Aus ganz erstaunlich dünnen geschwärzten Messingdrähten entstehen die Zeichnungen als hauchfeine, frei im realen Raum schwebende Gebilde. Obwohl das Ganze nur aus zarten, körperlosen Umrissen besteht, wird damit doch der Eindruck von Plastizität erzeugt. Der leere Raum erscheint dabei paradoxerweise als konstituierendes Element.
Im Zumikon hat der Künstler eine ganze Reihe von Drahtplastiken und einige sparsame Wandzeichnungen zu einer lockeren, die Fantasie des Betrachters anregenden Einheit verbunden. Da ergeben sich im Tanz der schwarzen Linien immer wieder rätselhafte Verbindungen zwischen Wortfragmenten, Pfeilen, Kreisen und zeichnerischen Kürzeln, die an Hunde, Vögel und die Gesichtsprofile von Mozart oder Queen Victoria erinnern.
In der Zumikon-Lounge treffen sich Arbeiten der Fotokünstlerin Lena Mayer und des Malers Marco Stanke zu einem spannungsreichen Dialog. Stanke pflegt eine bildnerische Technik, die in den USA als „Shaped Canvas” (geformte Leinwand) bekannt ist. Der textile Bildträger wird zum Objekt, die Formation auf der Bildfläche beeinflusst auch die äußere Gestalt des Bildes, Bildinhalt und Bildform werden in Übereinstimmung gebracht. So entsteht bei Marco Stanke eine konkret-konstruktive Malerei, die vielfach die Grenze zum Objekt und zur Wand-Plastik überschreitet. Die auf Keilrahmen gespannten Leinwände sind nicht nur mit allerlei geometrischen Formen bemalt, sondern hängen ganz konkret als geometrische Formen an der Wand.
Eine raffiniert facettenreiche Einführung in die gestalterischen Möglichkeiten des Fotografischen gibt Lena Mayer. Ihr Ausstellungsbeitrag umfasst neben technisch ungemein ausgefeilter herkömmlicher Fotografie auch eine Video-Installation sowie einige wunderbar malerische Arbeiten, die mithilfe eines simplen Farbkopierers entstanden sind. Im Mittelpunkt der bildnerischen Aussage steht die ständige Gratwanderung zwischen Abbild und künstlerischer Stilisierung oder auch Verfremdung, zu welcher das doch sehr künstlich- technische Medium Fotografie seine bewussten Anwender zwingt.
Die Bilder der Fotokünstlerin Lena Mayer zeigen, dass die vermeintlich naturgetreue Wiedergabe eine ganz und gar illusionistische, flache und abstrakte Angelegenheit ist, und dass sich bei näherer Betrachtung ausschließlich das sogenannte Abstrakte als handfest erweist.

Ausstellung Sam Szembek – Zeichnung vom 18. September bis 2. November 2014

Unter dem Titel "Raffinierte Kunst zwischen Tradition und Moderne" schrieb Bernd Zachow am 3. Oktober 2014 in den Nürnberger Nachrichten:

Welch bezaubernde Anmut und Ausdruckskraft mit einem lockeren Liniengefüge auf hellem Grund zu erzielen ist, zeigt eine wunderschöne Ausstellung des renommierten Zeichners Sam Szembek im Zumikon. Der Künstler (Jahrgang 1953), der in den 1980er Jahren zeitweilig als Stipendiat in Nürnberg gearbeitet und auch ausgestellt hat, ist in den seither vergangenen Jahren immer minimalistischer geworden. Bei seinen aktuellen Arbeiten bilden in der Regel lediglich ein paar wenige senkrechte, horizontale und diagonale Kohle-Striche ein stets überraschend ausgewogenes und in sich geschlossenes Bild.
Das viele Weiß zwischen den wenigen Linien wird nicht als Leere empfunden, sondern als durch die Lineatur definierter Raum. Dennoch ist Szembek kein Konstruktivist. Das belegt ein anlässlich der Ausstellung im Zumikon entstandener Block von neun eher expressiv und gestische anmutenden Blättern. Mit diesen Zeichnungen hat der Künstler spontan allerlei Erinnerungen an seinen (für ihn bis zum heutigen Tag sehr wichtigen) Nürnberg-Aufenthalt vor 28 Jahren verarbeitet.
Etwa die Mitte zwischen karger Geometrie und großer Geste bilden neun weitere Blätter, zu deren Gestaltung Sam Szembek durch die Betrachtung der berühmten „Grauen Passion“ von Hans Holbein d. Ä. in der Stuttgarter Staatsgalerie angeregt wurde. Ein hervorragend gemachtes Buch zur Ausstellung vereint die diversen Werk-Facetten dieses ungewöhnlichen und letztlich sehr traditionsbewussten Künstlers.

Ausstellung Karina Küffner und Böhler/Orendt vom 26. Juni bis 2. August 2014

Unter dem Titel "Geknetete Traumwesen aus der schwarzen Ursuppe" schrieb Katharina Erlenwein am 2. Juli 2014 in den Nürnberger Nachrichten:

In den beiden Galerieräumen im zumikon haben mal wieder äußerst gegensätzliche Werke Einzug gehalten: meditative Bilder von Karina Küffner und eine wuchtige Wandarbeit von Matthias Böhler und Christian Orendt.
Eine alte Schindmähre, eine Qualle, Fische mit gefährlich gezahntem Maul, ein Haus, ein Boot, fantastische Gestalten, die an indische Gottheiten oder Fantasy-Mythen erinnern. Sie alle versammeln sich im riesigen, ordentlich gezimmerten Setzkasten, den Matthias Böhler und Christian Orendt ins Studio im Zumikon gebaut haben. Nicht ganz in der Mitte der drei Abteilungen: eine Holzfläche mit Löchern, die an Augen, Mund und Nase einer Maske erinnern. Das Ego.
Als persönliche Welterfahrung diese Egos zeigt das Künstlerduo seine aus „Ursuppe“ hergestellten Symbole, deren Zutaten die beiden grinsend geheimhalten. „Wir haben lange experimentiert, bis sie so archaisch aussah und trotzdem hielt“, verraten die jungen Nürnberger Künstler, die gerade einen Preis nach dem anderen einheimsen und richtig durchstarten.
Ironie ist deutlich sichtbar in diesem Tiefenpsychologie-Schaukasten: Die Wahrnehmung des Ich, von Angst geprägt: Hand, Fuß, Behausung liegen ihm nahe, Getier, Chimären und Totems lauern bedrohlich am Rande, alles ist fein nach einem nicht wirklich logischen System katalogisiert, als könnte man die Dämonen damit bannen.
Mit dem bewusst überkandidelten Titel der Auftragsarbeit für das Institut für moderne Kunst beziehen sie sich — wiederum mit ironischem Unterton — auf Wilhelm Dilthey, den Begründer der Hermeneutik: „Beitrag zur Lösung der Frage vom Ursprung unseres Glaubens an die Realität der Außenwelt und seinem Recht“. Uff. Man kann sich jetzt in Diltheys oder Foucaults Schriften vertiefen und den Hintersinn ergründen wollen. Man kann aber auch einfach die verspielte Matsch-Struktur der Figuren betrachten, kleine bunte Farb-Sprengsel als Reverenz an die moderne Zivilisation darin erkennen und die Irritation genießen, die Böhler/Orendt dem Betrachter servieren.
In der zweiten Galerie-Hälfte lädt Karina Küffner zeitgleich zur geruhsamen Betrachtung ein. Dass sie diplomierte Textildesignerin ist, sieht man ihren Gemälden sofort an: Rhythmus und Struktur sind Grundelemente in den Formen, die mal auf die blanke Leinwand gemalt werden, mal in vielen pastosen Schichten übereinander liegen. Wobei die großformatigen, licht und doch tief wirkenden Leinwandarbeiten mit nur wenigen figuralen Elementen wesentlich sinnlicher und überzeugender wirken.

Ausstellung Mathis Neidhart und Nazzarena Poli Maramotti vom 28. März bis 1. Juni 2014

Unter dem Titel "Keine Angst vor Kitsch und Alten Meistern" schrieb Birgit Ruf am 27. März 2014 in den Nürnberger Nachrichten:

Diese „Deutschlandreise“ muss man einfach mitmachen: Sie führt an furchtbar triviale und skurrile Orte und zugleich nostalgieschwanger zurück in die 50er Jahre. Also ab ins Zumikon, wo diese Ausstellung von Mathis Neidhart konstrastreich begleitet wird vom Werk einer jungen Malerin, die ein Faible für die Alten Meister hat.
Klack, Klack, Klack... Erinnern Sie sich an die kleinen Plastikfernseher mit den bunten Bildchen von Sehenswürdigkeiten drin, die man im Gegenlicht betrachten und durch Klicken einer einfachen Mechanik wechseln kann? Bei den meisten dürfte es lange her sein, dass sie so ein Bildbetrachtungs- Spielzeug in den Händen hatten. Und wohl noch nie hat man sich die Frage gestellt: Was sind das eigentlich für Bilder da drin? Wo kommen sie her? Wer hat sie gemalt — und warum?
Genau diesen Fragen geht die Ausstellung im Zumikon jetzt nach. Und das hat einen ganz einfachen Grund: Mathis Neidhart, Künstler aus Nürnberg, kaufte 2005 die Firma Plastiskop aus Wiesbaden, die als „Mutter aller Bildbetrachter“ gilt. Damit ging nicht nur die Produktion der kleinen Augen-Erfreuer nach Nürnberg, sondern auch das historische Archiv des Unternehmens: 1200 Bilder aus den 50er, 60er und 70er Jahren, die in Miniatur-Reproduktion dann in die Plastiskope eingebaut wurden. „Die haben Horden von bedürftigen Kunststudenten nach Fotografien gemalt“, sagt Neidhart.
Erstmals stellt er Teile dieser Kollektion jetzt — betont sachlich in Rasteranmutung — aus: Eine Fundgrube der unfreiwilligen Komik, kitschig süss, voller Sentimentalität und zugleich doch ein Erinnerungsarchiv an den Optimismuswillen der Wirtschaftswunderjahre.
Über den „Sehenswürdigkeiten“ leuchtet fast immer ein makelloser Sommerhimmel, egal ob sie nun in expressionistischer Manier, à la Canaletto oder gar im Stil von Edward Hopper gemalt sind. Und es ist schon erstaunlich, was man damals so alles als bildwürdig erachtete: Brücken, Raststätten, Talsperren und Wassertürme. Klar, es gibt auch Schlösser, die Nürnberger Burg, den Bamberger Reiter, aber eben auch Kurhäuser, Minigolfplätze und Funkmasten. Schön ist, was Fortschritt verspricht?
Der ausgesprochen unterhaltsamen „Deutschlandreise“, so der Titel dieser vom Institut für moderne Kunst initiierten Ausstellung, steht eine sehr viel erdenschwerere Reise in die Kunstgeschichte gegenüber. Dazu lädt die junge Malerin mit dem klangvollen Namen Nazzarena Poli Marmotti ein. „Ich habe das Bedürfnis, mich mit den alten Meistern auseinanderzusetzen“, sagt die 26-Jährige, die an der Nürnberger Kunstakademie studiert. Konkret heißt das: Sie lässt sich für ihre Werke von den Vorbildern inspirieren, arbeitet im Kolorit der Renaissance, spielt mit Hell- und Dunkeleffekten, löst die Formen aber auf und schafft so — etwa auf der Basis von Martin Schongauers Heiligem Antonius — 550 Jahre später eine überzeugende zeitgenössiche Variante.

Ausstellung Carmen Loch und Thea Moeller vom 24.1. bis 8.3.2014

Unter dem Titel „Draußen tobt die Pegnitz, drinnen ein Sturm im Keller“ schrieb Christian Mücke am 23.1.2014 in den Nürnberger Nachrichten:

Die eine baut auf Wahrnehmung, die andere einen Bretterturm: Carmen Loch und Thea Moeller stellen im Zumikon aus. Heute wird eröffnet.
Mausgrau trifft’s, denn Zurückhaltung zählt. Von den Schuhen bis zur Haarfarbe hat sich Carmen Loch für die Laborfarbe grau entschieden: Kein Outfit aus klinisch reinem Weiß – denn ihre „Praxis für Feinstoff-Analyse und Synästhesie-Arbeit“ ist keine Klinik. Kein anästhesiehaftes Grün – denn ihr Kunstprojekt soll nicht betäuben.
„Synästhesie“ bedeutet die Kopplung mehrerer Sinnesreize über das Gehirn, die Verknüpfung von Wahrnehmungen. Das lässt sich trainieren. Darauf möchte die Künstlerin hinaus: Mit ihrer „Feinstoff-Analyse“ will Loch (Jahrgang 1983) eine Laborsituation erzeugen, in der sie auf die Aufmerksamkeit aufmerksam macht.
Lochs Aktionen waren wiederholt Abenteuer: Ihr „Schlaflabor“, ihr „Atemstudio“, ihre „Praxis für Performance- Nachsorge“ – um nur drei zu nennen – bewegten sich zwischen Wissenschaft, Medizin, Astronomie und Inhalten der Esoterik. Und auf schmalem Grat.
Dass ihre Werke – bei denen der Placebo- Effekt in mancher Nische steckt – psychologisch starke Seiten haben, steht außer Frage. Im Zumikon bleibt eher eine Ahnung davon. Denn hier zeigt Loch nur, was von der „synästhetischen Behandlung“ übrig blieb – und das ist spröde: Ein drehbarer Praxisstuhl zum Beispiel, den die Künstlerin mit einem Stehpult umkreiste, um die „Schwingungen“ von Gesprächen zeichnerisch zu dokumentieren. Auch ein Film davon ist zu sehen.
Aber macht eine Ausstellung über die Wahrnehmung Sinn, die bald jedwede Sinnlichkeit im Keim erstickt? Im Endeffekt stellt Loch hier eine tote Praxis nach Feierabend aus – in der das Leben fehlt.
Wie Loch hat auch ihre Kollegin Thea Moeller in Nürnberg Kunst studiert. Moellers Präsentation im Zumikon heißt „Garage Inc.“. Architektonische Elemente werden von der Künstlerin aus dem Zusammenhang genommen und in den Ausstellungsraum gebracht. Dem Geiste des österreichischen Architektur-Visionärs Adolf Loos folgend („Ein Kunstwerk ist revolutionär, ein Haus konservativ“) rückte Moeller dem Raum mit rohem Baumaterial auf den Putz. Der Treppenschacht wurde um einen Bretterturm erhöht, Dachpappe gleicht einer Welle, Holzbretter durchmessen das Zwischengeschoss wie Sprungbretter, während im Bauch des Baus, im Kellerraum, eine Projektion flimmert: Um die Errechnung von Windgeschwindigkeiten anhand der Struktur von Wasseroberfläche geht es darin.
Draußen am Zumikon fließt die Pegnitz vorbei. Drinnen tobt ein Sturm im Keller. Der Bretterturm hält – und die Aufregung sich in Grenzen.

Ausstellung Bo Christian Larssonund Matthias Ströckel: vom 27.9. bis 16.11.2013

Unter dem Titel „Von Menschen und Messern“ schrieb Susanne Helmer am 2.10.2013 in der Nürnberger Zeitung:

Eigentlich stellen Matthias Ströckel und Bo Christian Larsson wie üblich im Zumikon getrennt aus — doch Ströckel hat einen nicht ganz unerheblichen Beitrag zu der Installation Larssons geleistet: Die ist nämlich aus 800 je 20 Kilogramm schweren Leichtbeton-Steinen gebaut worden, die natürlich erst einmal geschleppt werden mussten. Kein Problem für den Studenten der Nürnberger Kunstakademie (Jahrgang 1986). Sein schwedischer Kollege Larsson sieht die Entstehung der begehbaren Raum-Installation als Teil der Kunst: In diesem Fall eine sehr körperliche Arbeit, aber auch eine spielerische: „Das ist wie Lego“, sagt Larsson, der 1976 geboren wurde. Was er erschaffen hat (vorher wurde das Ganze übrigens mit Zuckerwürfeln geplant), erinnert an eine Bauruine oder einen Keller: Hohe Mauern, dazwischen Erker oder Podeste, in und auf denen Fernseher stehen. „The knife as we know it“ lautet der Ausstellungstitel, und wenn man den beklemmenden Raum, der für manche aber auch etwas Beschützendes hat, betritt, weiß man auch warum: Auf den Bildschirmen sind zig Szenen aus Hollywood-Filmen zu sehen, in denen Messer eine Rolle spielen — und an dieser Stelle sprechen wir nicht vom Zwiebelschneiden. Stichwort „Psycho“.
„Waffe oder Werkzeug?“ ist hier die Frage, die Larsson bewusst aufwerfen will. Der Sound spielt dabei eine maßgebliche Rolle, denn das typische sirrende Zisch-Geräusch, das Hollywood den Messern gerne verpasst, macht das Erlebnis noch intensiver. Die offensichtliche Gewalt sieht der Künstler jedoch nur als Folie an, auf der sich weitergehende Fragen entwickeln, die über die bloße Darstellung der Grausamkeit oder die sicherlich auch vorhandene Kritik daran hinausgehen.
Zum Beispiel die, warum viele von uns Hollywood-Geschichten mögen (der Künstler selbst übrigens durchaus auch), wie sehr man manipuliert wird von derartigen Filmen, welche Rolle eigentlich die Angst spielt oder ob die Blockbuster von heute die Gladiatoren von gestern sind — mit den antiken Kämpfern vergleicht Larsson die Bildschirme, die teils „geschlagen“ auf dem Boden liegen. Eine absolut sinnliche Arbeit, bei der erst einmal das Erleben eine Rolle spielt: Der Besucher sieht, fühlt, riecht und hört so einiges in diesem begehbaren Kunstwerk.
Insofern passt Matthias Ströckels Ausstellung „Wo die Statik sich nach der dynamischen Freiheit sehnt“ gleich gegenüber in der Lounge perfekt: Denn im untersten Raum hat er etwas errichtet, das an einen entspannenden Zen-Garten erinnert: Tausende kleiner Kunststoff-Teilchen bedecken den Boden. An der Wand ist außerdem das Video einer sich drehenden und in zwölfeinhalb Minuten herunterbrennenden Kerze zu sehen.
Der Künstler hat mit einem Rechen runde Formen in das Granulat „gezeichnet“, bei denen man auch an Mandalas und Kornkreise denken könnte. Die Idee ist, dass die Besucher die Arbeit aktiv mitgestalten: Betreten ist nämlich ausdrücklich erlaubt, und auch hier sind sofort alle Sinne geweckt: Es knirscht gewaltig unter den Schuhen. So verändert man die Formen unwillkürlich. In regelmäßigen Abständen rückt Ströckel dann mit dem Rechen zum Nachbessern an...
„Duale Systeme interessieren mich“, sagt der Künstler, der auch Philosophie studiert hat. Chaos und Ordnung wie im Fall der Arbeit im Untergeschoss, aber auch Schein und Sein wie bei seinen Fotografien von Steinen, die zwar echt aussehen, aber künstlich sind und ein verborgenes Fach haben, sogenannte Schlüsselsteine.
Die Gegensätze spiegeln sich auch in der Vielfalt der Materialien und Darstellungsformen, die der Künstler für seine Zusammenstellung genutzt hat — die nimmt vielleicht nicht ganz so schnell für sich ein wie die des Kollegen Larsson, ist aber nicht minder attraktiv.

Ausstellung Philippe Gerlach / Marie Jeanne Turnea-Luncz und Miho Kasama vom 17.5. bis 28.7.2013

Unter dem Titel „Das sind die Schauer-Wellen unserer Tage “ schrieb Christian Mückl am 16.5.2013 in den Nürnberger Nachrichten:

Die Ameisen kamen per Post. Ihre Behausung ebenfalls: Ein türkisfarbener Zuckerschaumblock, wie ihn bereits die NASA bei Weltraumexperimenten mit den Krabbeltieren erprobt haben soll. Dass es gestern im Glas-Schacht des Untergeschosses im Zumikon ebenfalls munter zu wuseln begonnen hatte, ließ Künstlerin Marie Jeanne Turnea-Luncz jedenfalls auf raschen Nachwuchs bei den Tierchen hoffen. So könnte Kunst fruchten. 
Doch Kunst, Natur oder Naturwissenschaft – wer kitzelt hier wen? Tatsächlich zählen zur Vita der 1980 in Fürth Geborenen bereits Semester in Biologie, in Bauhaus-Architektur sowie ein abgeschlossenes Studium an der Akademie in Nürnberg: „In der Kunst kann ich zusammenbringen, was mir biografisch passiert ist“, sagt Turnea-Luncz, die überdies ein Händchen fürs Bastlerische beweist. Indem sie Pflanzenkunst-Gestecke nach der Ikebana-Lehre aus Papier nachbaut, sucht sie das Spannungsfeld zwischen Natur und Nachbildung. 
Dass Naturphänomene aus verkleinerten Kopien ihrer selbst bestehen können – so genannten Fraktalen – , liegt dann auch der Idee von einer Lichtprojektion zugrunde. Dabei illuminiert Turnea-Luncz einen Bonsaibaum, dessen Muster sich als Schatten auf- und abbauen. Klingt verkopft. Wird aber durch ein sinnliches Lichtspiel filigran vor Augen geführt.
Dicker trägt die Künstlerin dagegen im Zumikon-Obergeschoss auf. Hier hat sie eine Riesenwelle als aufblasbares Plastikobjekt nachgeformt. Dass es sich ebenfalls um ein Fraktal handelt – eine vergrößerte Nachbildung aus Katsushika Hokusais Holzschnitt „Große Woge vor der Küste von Kanagawa“ (1823–1833) –, ist das eine. 
Das noch Interessantere aber ist der Verweis auf die animierte Monitorarbeit ihrer Kollegin Miho Kasama (Jg. 1980) daneben. Die Japanerin, ihre einstige Kommilitonin an der Nürnberger Kunstakademie, hat die wellenartigen Bewegungsströme des radioaktiven Fallouts von Fukushima visualisiert. Die geografische Wetterkarte aus dem Fernsehen ließ sie weg, so dass nur noch eine sechsfarbige Wolke über den Bildschirm wirbelt wie ein rastloser Tänzer: ganz schön schrecklich – oder schrecklich schön. 
Für die andere „Schauer“-Schau sorgt nebenan im Zumikon-Studio Philippe Gerlach, den das Institut für moderne Kunst präsentiert. „Ich möchte so nah wie möglich an der Realität bleiben, etwa wie beim Tagebuchschreiben, aber natürlich kommt mit der Fotografie immer ein Element der Inszenierung mit ins Spiel“, sagt der kosmopolite Wahl-Berliner. 
„Schauer“ jagen dem Betrachter die Noir-Fotografien des 1981 Geborenen insofern ein, als er sein persönliches Umfeld, aber auch Landschaften in einer atemberaubenden Intimität vor Augen führt, deren Zauber eher in der Wahrheit des Augenblicks liegt, als in der Schönheit der Situation: Der nackte Sprung ins schwarze Wasser. Die Freundin, übernächtigt. Junge Menschen im künstlichen Licht.
Von Gerlachs Fotografien geht eine „Unterwegs“-Ästhetik aus, gerade so als wäre Beat-Poet Jack Kerouac mit einer Kamera aus den 60er Jahren mitten in unsere Tage und Nächte hineingerast. Gerlach vermittelt, wie es sich wohl anfühlt, heute jung zu leben – schauerlich hart, schauerlich zart.

Ausstellung Axel Lieber und Juli Sing vom 01.03. bis 27.04.2013

Unter dem Titel „Landschaften mit Knick in der Optik“ schrieb Christian Mückl am 7.3.2013 in der Nürnberger Zeitung:

Kunst-Doppel im Zumikon: In Juli Sings Fotografien droht die „Böschung“, während der Bildhauer Axel Lieber Hemden skelettiert. Deutsche Autobahn, deutscher Wald: durchschneiste Natur. Irgendwann guckt der Mensch dann dumm aus der Wäsche, respektive aus dem Autofenster. Denn die schöne Landschaft ist nur noch halb so wild. Fotokünstlerin Juli Sing versorgt uns jetzt mit der passenden Schau zum Thema. In der Lounge des Zumikons ist ihre Ausstellung „Abbild. Böschung. Reservat“ zu sehen.
Weil Juli Sing, Jahrgang 1981, in Nürnberg lebt, aber in Leipzig studierte, ist sie regelmäßig die A9 entlanggefahren. Weil sie als Fotokünstlerin zwangsläufig viel durch die Kamera schaut, blieben Bilder von Leitplanken und Standstreifen alsbald nicht aus. Mit dem Erkenntnisgewinn der Frage, was von der Landschaftsfotografie denn noch übrig bleibt, wenn die Natur gerade mal ein Drittel des Bildraums ausmacht? Da glaubt man, ins Grüne zu blicken und sieht erst mal grau.
Links unten Teer, rechts oben der Himmel, stramme weiße Straßenmarkierungen durchziehen die Bilder der ästhetisch glasklaren Serie „Böschung“. Eine Reihung, in deren Folge unsere Blicke schon mal gegen Lärmschutzwälle prallen. Menschen sieht man keine. Aber ihre Bauten.
In der Serie „Reservat“ wiederum zeigt Sing Fotografien von stabilen Holzstegen durch dunkles Unterholz. Damit auch keiner bei der Wildniserfahrung nasse Füsse bekommt. Doch wie viel Natur bleibt pur? Ist Wald, was wir dafür halten? Mit Mitnahme- Postern von Sehnsuchtsmotiven aus Zeitschriften rundet Sing ihre Ausstellung ab: Überbelichtet sind es Landschaften mit Knick in der Optik. Naturvorstellung „to go“.
Nebenan baumelt derweil Bildhauer Axel Lieber von der Decke. Der gebürtige Düsseldorfer, Jahrgang 1960, wird vom Institut für moderne Kunst unter dem Motto „Weitwinkel“ im Zumikon-Studio präsentiert. Als Marionette seiner selbst blickt das Abbild des Künstlers als Puppe auf die Werke: Ein bis auf die Knopfleiste und den Kragen skelettiertes Herrenhemd befindet sich darunter. Eine zu große Kaffetasse mit viel zu vielen Henkeln auch. Oder eine aus Zahnpastaschachteln und Nudelverpackungen gebaute Wandarchitektur.
Man könnte Axel Lieber einen „Kern-Forscher“ nennen, denn indem er zurückbaut, verkleinert, ausschneidet oder hinzufügt, ist er auf witzige Art den Bauordnungen von Alltagsdingen auf der Spur. Über Schuhe sagt der Künstler, sie seien die „Sockel“, auf denen wir stehen. Kleidung und Möbel dienen ihm als Referenzen zum menschlichen Körper. Nicht nur als Alleinschaffender, auch als Mitglied des Kreativ-Kollektivs „Inges Idee“ sorgte er wiederholt für Aufsehen – etwa indem er bei einem Bildhauersymposium das Heidenheimer Rathaus piercte.

Bezeichnend für seine kleine, feine Präsentation im Zumikon ist auch ein abgesägter und zwergenhaft wieder zusammengeschraubter Bauernhausstuhl. Von Schnickschnack und Ballast befreit, legt Lieber dieser Art Grundsätzliches frei. Schickt die Dinge an den Anfang zurück, öffnet so den Blick. „The long way home“ heißt sein Katalog.

Ausstellung Verena Waffek »Ein naturschöner Plan«
vom 28.9.12–17.11.12

Unter dem Titel »Die Dunkelheit ist ein Kontinent für sich« schrieb Christian Mücke am 27.9.2012 in der Nürnberger Zeitung:

Sie arbeitet mit selten gewordenen Dingen und zeigt als Künstlerin eine selten gewordene Vielseitigkeit: Verena Waffeks Ausstellung „Der naturschöne Plan“ im Nürnberger Zumikon ist ein sinnliches Ereignis.
Den roten – oder besser: schwarzen – Faden durch die Ausstellung voller Dunkeltöne entlehnt Waffek bei einer anderen außerordentlichen Frau. Diese hieß Mary Kingsley. Sie war eine englische Afrikareisende, die von 1862 bis 1900 lebte, forschte und schrieb. Nachdem ihre Eltern verstarben, erkundete sie 1893 erstmals den schwarzen Kontinent – in ein schwarzes, viktorianisches Trauerkostüm gekleidet.
Von Kingsleys Reisebeschreibungen inspiriert hat Waffek seit dem vergangenen Jahr nicht nur zauberhaft-feine Zeichenwerke mit enormer Akribie geschaffen. Darüber hinaus ist zu sehen, dass ein hochästhetischer Kosmos an Holzbildern, textil verwandelten Möbeln sowie ein selbst genähtes Nomadenzelt entstanden. Dass sich die englische Forscherin zu ihrer Zeit vornehmlich Flora und Fauna vornahm, fügt sich trefflich ins heutige Werk Waffeks. Ihre Arbeiten sind seit 20 Jahren so naturnah, wie ihr eigenes Wesen der Kunst und der Natur zuge- wandt ist. Ein großes Stück Kingsley steckt also offenbar auch in ihr.
Mit Naturmotiven, auf großem Büttenpapier gezeichnet, beweist die Künstlerin ein Händchen für die fantastische Ausgestaltung von Blüten. Dass sie für alles, was ihr lieb und wichtig ist, schöne „Gehäuse“ schafft, wird zudem ersichtlich. Ihr so genanntes „Archiv“ befindet sich darin. Es enthält 200 ergänzend zur Ausstellung geschaffene Naturzeichnungen kleineren Formats. Mücken in allen möglichen Lebenslagen sind dabei nur ein Detail des grafischen Ganzen.
Waffeks Anverwandlung der erstaunlichen Engländerin reicht so weit, dass sie deren Buch „Die grünen Mauern meiner Flüsse“ feinsäuberlich abzuschreiben begonnen hat und dadurch mit ihrer eigenen Handschrift tränkt. Wenn Waffek sagt „Ich brauche Zeit für alles, was ich tue“ macht das die Mannigfaltigkeit des Gezeigten noch beeindruckender. Denn die Künstlerin (Jg. 1953) betreibt ja auch noch eine Kindermalschule. Kein Wunder, dass sie von zuletzt 80-Stunden-Wochen spricht.
Aber die Arbeit hat sich gelohnt. Bedrückend wirken ihre Werke trotz ihrer Ansiedlung im Schwarz-Weißen und dunkel Durchdrungenen an keiner Stelle. Im Gegenteil.
Assoziativ geprägt fügt sich die Objektkunst ein, etwa eine Gruppe von Tischen, deren ältestes Exponat aus Kingsleys Jahrhundert stammt und deren Jüngstes von Ikea. Die Möbel sind als „Träger von Zeit“ zu sehen, welche Waffek mit neuen Stoffen überzog.
Unter- und Hintergründe sind wichtig, gerade in den Vitrinen, die als Guckkammern funktionieren. Auf dunklen Holztäfelchen, die Waffek mit Tusche bemalt hat, tastet sie innere wie äußere Reise-Stimmungen ab. Und schließlich ist da ihr begehbares Zelt, das auch einen Strauß aus Körben beherbergt. Solche schützenden „Behausungen“ für Pflanzen und Tiere waren Waffek stets ein Anliegen. Auch das schreibt „Der naturschöne Plan“ in den Raum und löst damit seinen Titel ein.

Ausstellung Verena Waffek »Ein naturschöner Plan«
vom 28.9.12–17.11.12

Unter dem Titel »Melancholie ist hier der Reisebegleiter« schrieb Birgit Ruf am 27.9.2012 in den Nürnberger Nachrichten:

Kommt sie oder geht sie, die schwarze Gestalt mit dem langen Rock und den Koffern in der Hand? Die Antwort lässt Verena Waffek auf ihrer Zeichnung offen. Klar ist aber, wer da seine Schatten bis in die Gegenwart wirft: Mary Kingsley (1862- 1900), die englische Afrikareisende, Forscherin und Reiseschriftstellerin, die nach dem Tod ihrer Eltern in — für diesen Zweck ziemlich untauglicher — Trauerkleidung den schwarzen Kontinent erkundete. Die Biografie dieser außergewöhnlichen Frau hat Waffek vor einigen Monaten entdeckt, weitergedacht, interpretiert, ausfabuliert, illustriert und zum sepiafarbenen Faden ihrer wunderbaren Ausstellung gemacht, in der Reales und Imaginäres durch Linien, dünn wie Fliegenbeine verbunden ist.
Auf diesem Geschichts- und Naturlehrpfad knospt die Kunst und treibt ihre zarten Blüten in Zeichnungen und kleinen Gemälden, Installationen und auch in einem begehbaren Stoffzelt. Aus profanem Material wie Blumentöpfen und feinst floral bemalten Kieselsteinen, die darin liegen, hat Waffek die für sie so typischen „Nistkästen für das Auge“ gebaut.
All ihre Arbeiten zeugen von dem Anliegen, die kleinen Kostbarkeiten der Natur sichtbar zu machen und zu bewahren. Dafür findet sie poetische Bilder, etwa wenn sie winzige Zeichnungen von Meerestieren, die Mary Kingsley so oder so ähnlich gesehen haben könnte, in wertvolle Stielgläser oder Glas-Karaffen legt — auch die Schönheit der Natur ist zerbrechlich. Oder wenn sie zu realen westafrikanischen Orten mit so klangvollen Namen wie Libreville oder Aganjo ein Zeichnungsarchiv mit den dort vermeintlich vorkommenden Pflanzen und Insekten anlegt.
Es ist die erste Einzelschau seit langem, die die Nürnberger Förderungspreisträgerin in der Region zeigt. Und sie wird begleitet von einem über 230 Seiten starken Katalog, in dem die 59-Jährige auf ihr Schaffen der vergangenen Jahrzehnte zurückblickt.
Mit Mary Kingsley verbindet sie nicht nur der dezidiert weibliche Blick auf die Welt, sondern auch die Lust am Entdecken und der achtsame Umgang mit der Natur, der Hang zum Sammeln und Archivieren, das akribische und doch entspannte Vorgehen. Sie hat aus Brotkörben Behältnisse gebaut, mit denen man Seesterne schützend transportieren kann, Marys beschwerliche Reiseroute dokumentiert, die Landschaft, Flora und Fauna des alten Afrikas in aufwendigsten Schwarz-Weiß-Zeichnungen imaginiert. Eine atmospärisch dichte Bilderreise, auf der die Melancholie der stille Begleiter ist.

Ausstellung Christina Chirulescu und Tobias Wyrzykowski »retrospective« vom 29. Juni bis 18. August 2012

Unter dem Titel „Lässiges Experimentieren mit den großen Vorbildern“ schrieb Birgit Nüchterlein am 3. Juli 2012 in den Nürnberger Nachrichten:

Der eine bewegt sich an der Schwelle zur Abstraktion, die andere hat den Grat zur Konkreten Malerei gerade überschritten: Insofern besteht zwischen den Arbeiten der Maler Christina Chirulescu und Tobias Wyrzykowski, die nun im Zumikon zu sehen sind, ein schönes Spannungsverhältnis. Christina Chirulescu ist eine erfrischend eigenwillige Künstlerin. Für ihre Ausstellung im Zumikon hat die 1974 in Rumänien geborene Malerin, die bei Peter Angermann studierte, nicht etwa ihre eingängigsten, farbigsten und also gefälligsten Arbeiten gewählt. Es sind eher die farbenleeren und ganz und gar ungegenständlichen Bilder, die sie auf Einladung des Instituts für moderne Kunst im Zumikon präsentiert. „Ich wollte nicht schön und lieblich ausstellen, sondern zeigen, was mich momentan interessiert“, sagt sie selbstbewusst. Wohl gibt es von ihr „fröhliche Bilder“, Figürliches und Poetisches, doch im Augenblick geht es der Künstlerin eben um die klassischen Themen der Malerei, also um Farbe, Komposition, Konsistenz, Geometrie und Gestus. Insofern wirken die Arbeiten auf den ersten Blick sehr reduziert, man muss sich schon näher mit ihnen befassen, um ihnen auf die Spur zu kommen. Dabei hat der Betrachter alle Freiheiten (oder Schwierigkeiten) zu deuten und zu assoziieren, denn einschlägige Titel, die ihn in die Interpretations-Einbahnstraße lotsen könnten, hat Chirulescu ihren Werken nicht gegeben. Die Bilder entstehen in Schichten, die oft transparent genug sind, um Arbeits- und Entscheidungsprozesse sichtbar werden zu lassen. Grobe Pinselstriche und Schattierungen sorgen bisweilen für Tiefe. Manchmal arbeitet die Künstlerin Fundstücke aus ihrem Atelier ein – ein kleines Foto etwa oder ein Goldkettchen, die höchstens apart, nicht kitschig wirken. Und sie bedient sich der Formensprache der Konkreten Malerei, allerdings nicht nach den strengen Regeln dieser Kunst, sondern eher gewitzt und lässig experimentierend. Immer nur einen Schritt von der Abstraktion entfernt ist Tobias Wyrzykowski, der in Nürnberg bei Michael Munding studiert. Sein Element ist das Wasser, genauer gesagt das Meer. Der 24-Jährige, den Kuratorin Verena Waffek in die Zumikon-Lounge eingeladen hat, bezieht sich mit seinen großformatigen, farbintensiven Arbeiten auf das klassische „Seestück“, das sich – von Brueghel bis Richter – als Thema durch die Kunstgeschichte zieht. Auch Bilder aus der eigenen Erinnerung spielen eine Rolle, so dass reale Erfahrung und historische Betrachtung ineinanderfließen. Viel Bewegung und Stimmung ist da teils pastos, teils flächig mit großem, geschwinden Gestus auf die Leinwand gebannt. Wo genau der Horizont verläuft, ist oft nicht auszumachen. Der junge Künstler nennt seine Schau „retrospective“, das ist augenzwinkernd gemeint und ernst zugleich: Kein „Best Of“ will er zeigen, sondern die Fülle. Einiges darf da sicher noch reifen.

Ausstellung Christina Chirulescu und Tobias Wyrzykowski »retrospective« vom 29. Juni bis 18. August 2012

Unter dem Titel „Die Gründelei der Malerei“ schrieb Christian Mückl am 28. Juni 2012 in der Nürnberger Zeitung:

Es geht mir nicht darum, zu zeigen, wie viele schöne Bilder ich habe, es geht mir um die Malerei - und wo ich mich darin gerade befinde“, gibt Christina Chirulescu selbstbewusst Auskunft über ihrer Werkauswahl im Zumikon.
Die 1974 im rumänischen Sibiu geborene Künstlerin, die wie ihre Zwillingsschwester Marieta bei Peter Angermann in Nürnberg studierte, arbeitet abstrakt. „Meine Bilder haben nie einen Titel, man kann sie mit einem Wort nicht beschreiben“, fährt Chirulescu fort. Wohl aber kann man ihre Themen nennen: Farbe und Komposition. Chirulescu malt, schichtet und schabt; Spuren eines von ihr ausgelöschten Bildes sind Nährboden für Neues – ohne Darunterliegendes zu verleugnen. Charakterstark wagt die Künstlerin, die vom Institut für moderne Kunst vorgestellt wird, ein nuancenreiches Spiel mit dem Vokabular der Konkreten Kunst, mit geometrischen Formen und Raumordnungen. Starre Regeln hingegen lässt sie abblitzen, vielmehr fließen Malgründe ineinander, gerinnen, lösen sich wieder. Chirulescu hält, und das mit sensiblem Sinn fürs Besetzen und Entrümpeln fragiler Flächen, die Wahrnehmung in Fluss. Im Vorwort zu ihrem ersten Katalog, der jetzt erscheint, bescheinigt ihr Professorin Eva von Platen, man könne „dieses leichte angenehme Hüpfen im Kopf spüren, das unterschiedliche Deutungen und Assoziationsräume eröffnet und in der Schwebe hält.“ Stimmt.
Den farbigen Faden klassischer Malerei greift Tobias Wyrzykowski, der bei Michael Munding studiert, den Kunstpreis Lauf gewann und in der Blauen Nacht das Pellerhaus bespielte, mit Landschaftsbildern nahe der Abstraktion auf. Sein Motto „retrospective“ tickt das an. Kuratorin Verena Waffek hat den 1987 Geborenen Ölmaler für die Zumikon-Lounge ausgesucht, wo sich in den Werken Tageslicht mit dem Leuchten und Schwinden von Küstenkonturen und Wasserassoziationen paart.
Aus seinem romantischen Ansatz macht Wyrzykowski, dessen Eltern von der Ostseeküste stammen, keinen Hehl. Weshalb seine Naturabstraktionen mit der in ihnen wohnenden Wucht und Verschleierung der Elemente Erinnerungsbilder an Gesehenes und Erlebtes sind. Mit dem Sommer hat der Künstler kein Problem. Mit Schönheit auch nicht. Es darf flirren.

Ausstellung »KOSTBAR« mit Meike Lohmann, Linda Männel, Birgit Nadrau und Kathrin Ziegelmaiers

Am 11. September 2011 schrieb Susanne Helmer in der Nürnberger Nachrichten:

Einblicke in fremde und vertraute Gefühlswelten Selbstbewusstes Quartett: Vier Künstlerinnen stellen unter dem Titel „Kostbar“ im Zumikon in Großweidenmühle aus

Vier starke weibliche Positionen der Bildenden Kunst sind ab heute im Zumikon in Großweidenmühle zu bestaunen: Ehemalige Studentinnen der Nürnberger Akademie zeigen unter dem Titel „Kostbar" eine Auswahl ihrer Werke.
Mit welch fast schon aggressiver Wucht muss diese Zeichnung wohl entstanden sein — Kathrin Ziegelmaiers blaue Kugelschreiberattacke hängt allein auf einer Wand im Untergeschoss des Zumikon-Studios. Vom Weiß des papiernen Untergrundes ist fast nichts mehr zu sehen. Kuratorin Verena Waffek wollte der großformatigen Gebirge-Ansicht zu Recht den entsprechenden Platz einräumen.
Generell stehen die Werke der vier beteiligten Künstlerinnen aber gleichberechtigt nebeneinander. Und das ganz ohne Zickenkrieg. Man merkt sofort: Hier stimmt die Chemie, sowohl in Sachen Kunst als auch privat. Meike Lohmann, Birgit Nadrau und Linda Männel haben ihr Atelier alle „auf AEG" und kennen sich daher nicht nur von der Kunstakademie, sondern auch vom täglichen kreativen Arbeiten. Gemeinsam ist ihnen die genaue Beobachtungsgabe. Birgit Nadrau ist dabei die Spurensucherin, die Alltagsfundstücke sammelt und sie zu einer neuen Identität zusammensetzt. Im Falle eines der im Zumikon gezeigten Bilder war das ihre Reise-Kiste aus China, in der sich zum Beispiel Zeitungsschnipsel befanden. Mit Hilfe von Werkzeugen wie Nadeln, Pizzarädern oder Stäbchen hat sie dünnes Aluminiumblech von der Rolle so bearbeitet, dass aus den Erhebungen auf dessen Oberfläche Szenen entstehen: „Double Happiness" ist oben links zu lesen, der Name einer chinesischen Zigarettenmarke. Nadraus silberner Kühle sind Linda Männels verspielte Arbeiten, auf denen Gelb dominiert, entgegengestellt.
Ornamentale Strukturen, eine tanzende Frau in langem Kleid, Vögel — Nostalgie und Idylle gehören bei der Künstlerin dazu. Sie malt zum Beispiel Fotografien, die aus Nachlässen oder vom Flohmarkt stammen, ab und überspannt sie dann mit Wollfäden (Tipp für die praktische Hausfrau, die das Ganze daheim nachmachen will: Am besten welche mit Acryl nehmen, die mögen die Motten nicht so). Diese Technik hat sie im letzten Jahr erstaunlich erweitert und verfeinert.
Einen Blick in fremde und doch so vertraute Welten gewährt Meike Lohmann auf ihren immer leicht irritierenden Bildern. Verlaufende Farbschichten erinnern an einen Zustand zwischen Schlaf- und Wachbewusstsein, zwischen Traum und Realität. Sie zeigt Landschaften, Häuser, Menschen und Tiere, die seltsam entrückt wirken, aber wohl keinen Betrachter unberührt lassen. Kurzum: Im Zumikon sind vier Frauen versammelt, die etwas zu sagen haben. Selbstbewusst, vielschichtig, neugierig und mit einem wachen Blick für Menschen und ihr Innenleben.

Ausstellung »KOSTBAR« mit Meike Lohmann, Linda Männel, Birgit Nadrau und Kathrin Ziegelmaiers

Am 11. September 2011 schrieb kalb in der Nürnberger Zeitung:

Wie kostbar sind Kadaver in kahlen Katastrophengebieten?

Was gilt uns als kostbar? Die Antwort kann nur individuell aus- fallen, erst recht bei Künstlern. Das Zumikon stellt vier Absolventinnen der Kunstakademie aus, deren verschiedenartige Werke und Techniken im Zeichen des Kostbaren stehen.
Erinnerung ist so eine Kostbarkeit, da sie verblasst, aber auch verklärt. Und im Zeitalter der Demenz-Phobie selbst als bedrohtes Gut erscheint. Linda Männel überzieht ihre Gemälde mit hellen Wollfäden. Die Malerei schimmert zwar durch, verliert aber den Eindruck der Unmittelbarkeit. Am schönsten gelingt Männel dies mit dem großformatigen „Süßer Vogel Jugend", einem durchkomponierten Getümmel von schwerelosen Tänzerinnen und Tieren. Kreisförmige Aussparungen im Fadenüberzug lenken den Blick des Betrachters, reizen ihn, hinter das Wollgespinst zu blicken. Erinnerungsarbeit verdichtet sich zur optischen Mühsal.
Eine Aura kalter Pracht verströmen Birgit Nadraus Aluminiumreliefs. Blanke Folien beritzt, bepunzt und bestichelt Nadrau mit Schriftzügen und Werbegraphiken aus den 50er Jahren; Mangafigürchen, chinesische Schriftzeichen, Glücksdrachen, Ornamente und unübersehbare Preisangaben konzentrieren sich zu einer Warenwelt des kalten Glanzes. Schön und keimfrei wie eine Silberbüste.
Im Gegensatz hierzu steht Meike Lohmann. Die Frau mit den strahlend blauen Augen wälzt sich geradezu im Dreck. Meike liebt Erdfarben und entwirft verlassene Landschaften nach der Schlacht, bedeckt mit Kadavern. Naturkatastrophen und Sintfluten müssen über ihre Szenerien hinweggefegt sein, den Rest hat der Zahn der Zeit zernagt. Wo ist hier das Kostbare? Wer zeigt noch Flagge? Verloren, vorbei, vergangen.
Ganz in Innenwelten versunken präsentieren sich die Bilder von Kathrin Ziegelmaier. Die Malerin greift Fotografien aus Illustrierten auf, vergrößert und verfremdet sie am Drucker, holt immer neue und andere Farbwerte heraus – und übermalt dann diese verfremdeten Ausdrucke mit Acryl. Da entstehen höchst intime Porträts wie „Schlafender Soldat"", aber auch aggressive Verdrängungsalbträume wie „Miss Lee", die mit totenschädeligem Gesicht unter schwarzer Farbmasse versinkt.
Nach diesem Prinzip mutiert die „Madonna" aus einer Barockkirche zu einer Mater Dolorosa, einem Phantom in fahlem Gelbgrün vor Nacht- schwarz. Der Gegensatz folgt einer religiösen Logik, schon Grünewald und andere Altmeister spickten ihre Madonnenbilder mit Anspielungen auf das spätere Leiden.
Und dann steht man überwältigt vor einer großformatigen Gebirgslandschaft in feinster blauer Schraffur. Keine farbige Radierung ist dies, sondern eine Kugelschreiberzeichnung. Eine kostbare Arbeit, die Kathrin Ziegelmaier in Monaten mit dem billigsten Wegwerfstift des Alltags bewerkstelligte. Ihr Titel: „Heimat".

Ausstellung »Matthias Klos: Entweder Problem oder Vorsprung« und »Daniel Kiss: ENSEMBLE« vom 15. Juli bis 3. September 2011

Am 11. Juli 2011 schrieb Kai Kappes in den Nürnberger Nachrichten:

„Immer in Konflikt mit den Proportionen“

Der Kampf mit der Kunst: Matthias Klos und Daniel Kiss stellen im Zumikon aus
Die regionalen Künstler Klos und Kiss kreieren Kunst. Doch nicht nur Alliterationen verbinden die beiden: Die zwei Gewächse aus der Nürnberger Akademie- Talentschmiede zeigen in einer Doppelschau im Zumikon ihre Werke.
Mit einem großen, blau gesprayten „Danke“ begrüßt Daniel Kiss, Jahrgang 1984, die Besucher zur Ausstellung „Ensemble“ im Lounge-Bereich. Nein danke? Na danke? Oder einfach nur vielen Dank, dass Sie gekommen sind? „Das schwirrte mir schon lange im Kopf herum. Es gibt so viele Menschen, bei denen ich mich bedanken möchte“, sagt Kiss. Auf dünner Folie flattert das mehrdeutige Wort. Überhaupt arbeitet Kiss mit gewöhnlichen Materialien wie Gips oder Tapete, ganz im Sinne der Arte Povera. Er bedient sich spielerisch bei Matisse und griechischer Architektur und setzt diese in überraschende Kontexte. Dabei zeugt die werkimmanente Leichtigkeit nicht vom schwierigen Schaffensprozess. „Immer wieder bei null anfangen, sich nicht auf bewährte Techniken stützen, sondern mit sprödem Glas, hartem Holz und stumpfem Messer kämpfen – so will ich meine Werke angehen.“ Matthias Klos, der seit 2002 in Wien lebt und 14 Jahre vor Kiss sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg begann, widmet sich der Konzeptkunst. „Entweder Problem oder Vorsprung“ heißt seine Schau. Mit Wägelchen, großen weißen Schildern und einem Fotografen macht er sich auf in die Stadt und wird selbst zum Motiv seiner Fotografien. So streckt er beispielsweise am Aufseßplatz seine kryptischen Postulate lautlos gen Himmel: „Immer in Konflikt mit den Proportionen“ oder „Das Positive wirkt morgen“.
Nicht wertend sollen seine Tafeln sein, sondern Zustände beschreiben. „Manche Sätzen reifen ein Jahr bis ich sie auf die Straße trage.“ Seine Kunst ist fest im urbanen Raum verankert, die Schildbürger-Fotos auf der Straße sind aber nur ein Thema in Klos’ Spektrum. Bei seiner Diaserie von Zigarillorauch im Atelier rennt Klos der Flüchtigkeit des Augenblicks quasi hinterher und kommt doch immer zu spät: Das Spiel aus Licht und Rauchwolke lässt sich nicht gezielt mit der Kamera bannen — und gerade das macht wohl den fragilen, unwirklichen Zauber aus.

Ausstellung »Matthias Klos: Entweder Problem oder Vorsprung« und »Daniel Kiss: ENSEMBLE« vom 15. Juli bis 3. September 2011

Am 14. Juli 2011 schrieb Christian Mückl in der Nürnberger Zeitung:

Schild-Bürger in der Südstadt

Der eine hält eine Tafel hoch, auf der „Das Positive wirkt morgen“ steht. Der andere empfängt Besucher mit einem gesprayten „danke“. Mit Matthias Klos (geboren 1969) und Daniel Kiss (geboren 1984) stellen zwei erfrischende Protagonisten zeitgenössischer Kunst im Nürnberger Zumikon aus.
Der Künstler kennt Krisen. Weil Matthias Klos aber nun mal „Konzeptkünstler“ ist, hat er für solche Situationen – na, was wohl? – ein Konzept: Steckt Klos in der Klemme, erfindet er eine Durchhalteparole. Die schreibt er dann auf ein Schild, stellt sich damit auf die Straße und hebt es hoch. Weil er nicht sicher sein kann, ob damit am Ende ihm, der Kunst oder sonst wem geholfen sein wird, hat er seine Ausstellung im Nürnberger Zumikon vorsichtshalber nach einem eher vagen „Postulat“ benannt. „Entweder Problem oder Vorsprung“ heißt die Schau. Der Titel trifft und spaltet den Zweifel im Kern.
Der in Hersbruck geborene Künstler, der in Wien lebt und arbeitet, stellt also Fotografien von Großstadtstraßen aus, auf denen er ein Schild hochhält. Zwei Bilder der vom Institut für moderne Kunst kuratierten Schau entstanden in Nürnberg, wo Klos mit dem Fotografen Uwe Niklas unterwegs war. Am Aufseßplatz und in der Zufuhrstraße waren sie (also dort, wo grauer Asphalt, Häuserwände und städtische Staubluft eine besonders markante Melange ergeben) und haben unter dem Banner der Kunst postuliert. Ob Klos nun die Behauptung „Das Positive wirkt morgen“ in Richtung Himmel reckt oder als Schild-Bürger still im Straßenlärm „Die Kontur der Wiederholung“ präsentiert: Ein demonstrierender Lösungswortpoet ist zu erkennen, der inmitten der Metropole zum Nachdenken einlädt.
Mit einer weiteren Fotografie-Serie – „Smoke in the Studios“ – gelingt es ihm darüber hinaus aufzuzeigen, dass er nicht nur irre Konzepte, sondern auch ein irres Gespür für Momentaufnahmen hat: Sich im Atelier verflüchtigender Rauch ist zu sehen.
Wie aus einer anderen Sphäre weht dem Besucher dann das Wort „danke“ entgegen, das nebenan in der Zumikon-Lounge Daniel Kiss auf transparente Abdeckfolie gesprayt hat. Was für ein erwärmender Empfang in seiner Ausstellung „Ensemble“, in der sich der 1984 Geborene viel mit materiellen Reibungsflächen beschäftigt: So hat er etwa ein beachtliches Gips-Gemälde aus selbstgegossenen Bausteinen erschaffen und mit weichen Tüchern garniert. Aber auch Fotografien, Malerei und Objekte offenbaren den Forschergeist des Akademie-Studenten aus der Klasse Munding, der im Sinne der Arte Povera nach der Erhabenheit des Einfachen trachtet – wohlwissend, wie flugs es ins Banale kippen kann. Kiss wählt diesen Reiz.

Ausstellung »Sabina Baumann: Himmelhund« und »Matthias Böhler:
Heart-ache-ache-ache / Head-ache-ache-ache« vow 6. Mai bis 2. Juli 2011

Am 5. Mai 2011 schrieb Martin Mai in der Nürnberger Abendzeitung:

Filme im Kopf und der Fernseher pinkelt

Schönheit und Elend liegen nah beieinander im Studio des zumikon. Dort eröffnete am 5. Mai die Ausstellung „Himmelhund“ der Züricher Künstlerin Sabina Baumann. Bei „Intakte Intuition“ etwa sieht der Mensch einer Katastrophe - nach dem Vulkanausbruch - einfach nur zu, gefangen in den Medien: elendig, passiv, trotz der sich nähernden Aschewolke. Zugleich aber auch schön verschroben humorvoll: Die Fernsehkommode hebt ein Bein und pinkelt auf den Boden. Baumanns schwarz- weiße Bleistiftzeichnungen sind allesamt in einem düsteren Kontext zu sehen, selbst auftauchende Ikonen der guten Laune oder der heilen Kinderwelt wie Fix und Foxi oder Mickey Mouse erscheinen in bitteren, oft überfrachteten Kontexten.
Das hat Methode bei der 1962 geborenen Künstlerin: Sie verquirlt und kombiniert Quer- und Gender-Theorien, Fortschrittsglaube und -angst, Film und Realität zu suggestiven Traumlandschaften in ihren Zeichnungen…
Matthias Böhler, der zeitgleich in der Lounge des zumikon ausstellt, wählt einen direkten Weg. Bei einer Serie „Film Noir“ Film Stills verwendet er Elektrofotografien von Objekten wie Spielzeugautos, die er auf den Kopierer gelegt hat. Dabei entstehen Szenen, die dem Titel entsprechend tatsächlich Filme im Kopf entstehen lassen.

Ausstellung »Sabina Baumann: Himmelhund« und »Matthias Böhler:
Heart-ache-ache-ache / Head-ache-ache-ache« vow 6. Mai bis 2. Juli 2011

Am 5. Mai 2011 schrieb Christian Mückl in der Nürnberger Zeitung:

Auf den Himmelhund gekommen

Himmelhund - so heißt Sabina Baumanns Ausstellung im Zumikon. Als Grund für den Titel gibt sie ihre schönen Erinnerungen an die gleichnamige Schweizer Band an, die während der 80 er Jahre die Züricher Frauenszene mit Tönen begleitete. Künstlerin, die Baumann nun mal ist, hat sie dazu einen schwebenden Vierbeiner in einer ihren feinen Bleistiftzeichnungen verewigt. Überhaupt benennt das Tier als Hybridwesen zwischen Drache und Hund den Knackpunkt ihrer Schau. Baumanns Zeichnungen und Tonskulpturen handeln vom Wirrwarr mit der Wirklichkeit. Baumann fungiert als Fachfrau für melancholische Metaphern … Indem Baumann, die in der quirligen eidgenössischen Kreativszene keine Unbekannte mehr ist, Eindrücke aus Medien, Kunstgeschichte und Popkultur sammelt, schafft sie mit dem Bleistift surreale Landschaften. Da ist der Fettwanst vor arabesker Wohnzimmertapete, auf dessen Bauchkugel ein See ruht, während auf seiner wellenartigen Brust ein Inselchen wächst. Oder es hängt eine Elvisfrisur am Ast. Daneben eine Vogelgrippe. Daneben wiederum klopft ein Specht…
Herz und Kopfschmerzen treiben Matthias Böhler (Jahrgang 1981) um. Er präsentiert nach seinem Akademieabgang seine erste Einzelausstellung in der Lounge des zumikon. Titel: „heart ache-ache-ache/ heat ache-ache-ache“. Was Böhler unter dem nachhallenden Motto jedoch auftischt - eine Art Filmrissinstallation als Reminiszenz an seine Jugend in der fränkischen Provinz, dazu düstere Spielzeugauto-Bilder aus dem Schwarz–Weiß-Kopierer, dazu Englischbuch-Collagen nach dem Motto „Boy meets Girl“ reißt weder formal noch inhaltlich vom Hocker. Geschweige denn, daß es Schmerzen erzeugt: Selbst dazu ist es zu unausgegoren…

Ausstellung »Luzia Hürzeler: Aus dem Auge« und »Tim Trantenroth: Suggestion« vom 25. Februar 2011 bis 16. April 2011

Am 28.2.2011 schrieb Birgit Ruf in den Nürnberger Nachrichten:

Denkmal für den unbekannten politischen Gefangenen
Straßenschlachten in Kairo und Illegale in Italien: Kunst im Zumikon greift auch aktuelle gesellschaftliche Themen auf

Illegale Straßenverkäufer in Rom und Tumulte in Kairo: In der neuen Doppel ausstellung im Zumikon geht es auch um aktuelle (gesellschafts-)politische Entwicklungen.
Tim Trantenroth, der in Nürnberg aufgewachsen ist, an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat und heute als freischaffenden Künstler in Berlin lebt, sieht sich als moderner Historienmaler. Sein Sujet: Die Zerstörungen und anderweitigen Veränderungen, die Terror in unsere Welt bringt. Das zeigt Trantenroth in seinen stets menschenleeren kleinformatigen Bildern ganz direkt und unmissverständlich: Da stehen Hausruinen, zerschossen, gepündert, gesprengt, Autos mit Einschusslöchern und verwüstete Straßen. Subtiler sind die Folgen des Terrors, die Trantenroth mit seinem kleinen Bild von einer im Wind wehenden Abfalltüte vor Augen führt. „In Paris hat man die schweren Mülleimer aus dem Stadtgebiet entfernt und durch transparente Tüten an den Halterungen ersetzt. Darin kann man keine schwere Bombe verstecken“, sagt der 41-Jährige, der als Vorlagen für seine nun in Nürnberg gezeigten Gemälde auf Zeitungsfotos zurückgegriffen hat. „Es geht mir auch um die Illusion von Informiertheit“, sagt der Maler — und um die Austauschbarkeit von Terror-Bildern. Im Untergeschoss des Ausstellungsraums zeigt sich Trantenroth von einer anderen Seite: als Wandmaler. Auf den ersten Blick hat seine Raumtiefe suggerierende große Wandarbeit in schreiendem Orange so gar nichts mit den irritierend ästhetischen Terror- Bildern oben zu tun. Der thematische Zusammenhang stellt sich erst dann her, wenn man weiß, dass der Künstler mit der Arbeit einen Entwurf von Max Bill für ein Denkmal für den unbekannten politischen Gefangenen aufgreift.
Unbekannte erhebt auch Luzia Hürzeler zum Bestandteil eines Kunstwerkes — zum Beispiel den illegalen Straßenverkäufer, der Handtaschen auf dem Boden feilbietet und immer wie der vor der Polizei fliehen muss. Zig Mal hat die 34-Jährige solche Szenen bei einem Aufenthalt in Rom beobachtet: „Das hat mich sehr berührt.“ Die Künstlerin sprach den Straßenverkäufer an, bat ihn die Szenen für sie nach zustellen und filmte ihn im Atelier vor einer Sperrholzwand.
Heraus kam einer von drei eigenwilligen Video-Filmen, die die Schweizerin, die in Nürnberg schon 2008 beim großen Ausstellungsprojekt „Tier und Mensch“ beteiligt war, jetzt ausstellt. In allen dreien wartet man als Betrachter ebenso gespannt wie geduldig auf den Monent, dass etwas passiert. Es vermittelt sich nämlich zunächst der Eindruck, man blicke auf ein Standbild. Zum Beispiel bei dem ausgestopften Löwen, der plötzlich Besuch von einem lebenden Artgenossen bekommt. Oder bei dem Straßenkünstler, der so tut als sei er eine Statue und — abgesehen von kleinen Wacklern — 50 Minuten in einer Pose verharrt. „Eigentlich bin ich keine Videokünstlerin, sondern interessiere mich für Skulptur“, sagt Hürzeler — und beim Blick auf den Satuen-Mann kann man das gut nachvollziehen.
Ihre Filme haben etwas von einer trockenen Versuchsanordnung, spielen in surrealen Szenerien und erzählen absurde Geschichten. Was beide Künstler im Zumikon verbindet, ist vielleicht der vermeintlich dokumentarische Zugriff auf die Welt, den sie aber in jeweils ganz andere künstlerische Sprachen übersetzen — und sich dabei gut ergänzen.

Ausstellung »Luzia Hürzeler: Aus dem Auge« und »Tim Trantenroth: Suggestion« vom 25. Februar 2011 bis 16. April 2011

Am 28. 2. 2011 schrieb M. May in der Nürnberger Abendzeitung:

Dieser Löwe ist eine Skulptur
Zwei Ausstellungen im Nürnberger Zumikon von Luzia Hürzeler und Tim Trantenroth

Ein ausgestopfter Löwe (Il Nono), eine Skulptur, zu sehen in einer Projektion der Künstlerin Luzia Hürzeler, wartet auf einen lebendigen Löwen. Er schnüffelt etwas verwirrt an seinem „Großvater“ herum und verschwindet wieder. Die in Genf lebende Künstlerin spielt auch in ihren anderen Weken mit den Komponenten Zeit/Objekt und der Wahrnehmung. Zum Beispiel, wenn sie einen Straßenkünstler in seiner rund 50-minütigen Erstarrung auf der Leinwand inszeniert. Zunächst denkt man an Fotografie — bis man anhand des Zitterns der Hand begreift, daß man es erneut mit einem Video zu tun hat.
Ganz anders dagegen die Werke von Tim Trantenroth. Von seinen farblich unaufgeregt gehaltenen, ansatzweise fotorealistischen, kleinformatigen Acrylarbeiten geht Gewalt aus — auf den 2. Blick. Denn wie bei einem Kameraschwenk wird der Blick des Betrachters immer tiefer in die Szenerie nach einem möglichen Terroranschlag gezogen: Autos sind zerschossen, Fenster zerborsten, ganze Gebäude sind zerstört. Mit der Architektur verbindet den Wahlberliner wiederum seine Arbeit in der Lounge des Zumikon. Dort ist ein dreidimensional wirkendes Wandgemälde entstanden, das mit seiner Bunker-Ästhetik an die Terrorgemälde erinnert.

Ausstellung »Ursula Kreutz: post _exil«
vom 26. November 2010 bis 29. Januar 2011

Am 27. November 2010 schrieb Frau Dr. Birgit Ruf in den Nürnberger Nachrichten:

Pfade in den Wald und die Kunstgeschichte
Doppelschau im zumikon mit Werken von Ursula Kreutz und Hank Schmidt in der Beek

Von den Stoffobjekten zur Performance: Ursula Kreutz geht neue Wege und man weiß noch nicht wirklich, ob man die gut finden soll. Zwei Wochen lang hatte sie im Sommer gemeinsam mit Kollegen von der Künstlergruppe „Der Kreis“ im Wald gelebt. Jetzt stellt sie die Ergebnisse dieses Projekts, das sich um Fragen der Anpassung und Integration, um Begriffe der Tarnung , des Exils und der „ästhetischen  Beheimatung“ dreht, im zumikon am Pegnitzufer aus.
„Ich habe versucht, mich mit künstlichen Mitteln der natürlichen Umgebung anzupassen“, sagt Kreutz. Die Requisiten, die sie dafür für den Film herstellte, sind jetzt zu sehen: Die Kleidung samt Kopftuch - eine Art Ganzkörperverhüllung mit Tarneffekt, denn die Stoffe sind mit Motiven von Ästen und Blättern, Brennesseln und Sträuchern bedruckt. Auch das Originalzelt aus zartem Stoff passt sich so seiner Umbebung optimal an. Im echten Reichswald bei der Performance sowie im Ausstellungsraum mit Rundum-Waldpanorama, in dem Ursula Kreutz wie ein Geist in ihrer grünen Montur auftaucht. Der Nürnberger Fotograf Bernd Telle hat die Aufnahmen während des Freiluft- Kunstprojekts gemacht.

Vom Wald in die Welt der Kunstbücher: parallel zu Kreutz stellt im Studio des Zumikon Hank Schmidt in der Beek aus. Nein, das ist kein Künstlername, der junge Mann, gebürtiger Münchner, heißt wirklich so. Und er überzeugt mit einer ebenso schelmischen wie sehenswerten Präsentation von 120 seiner Collagen in denen er die Heroen der Kunstgeschichte ziemlich frech vom Sockel stößt und ihnen die Patina wegbläst. Da sägt Micky Maus an einer Picasso-Figur, Charlie Chaplin lugt aus Renee Magrittes mysteriösem Türloch, und Stan Laurel und Oliver Hardy gucken Valy Export in den Schritt.
„Hank bringt das Lachen in die Kunst“, sagt Kurator Manfred Rothenberger und hat recht damit....

Ausstellung Ursula Kreutz: »post _exil« und Hank Schmidt in der Beek: »Was reimt sich schon auf de Saint Phalle?« vom 26. November 2010 bis 29. Januar 2011

Am 26. November 2010 schrieb Herr Maximilian Theis, Abendzeitung:

Fremdkörper in Nasen und Wäldern
Das Nürnberger Zumikon präsentiert ab heute eine neue Doppelausstellung

Was reimt sich schon auf de Saint Phalle? Diesae Frage stellen sich vermutlich nicht allzuviele. Wenn man sich aber die skurillen Collagen des Münchner Wahlberliners Hank Schmidt in der Beek ansieht, die das Nürnberger Institut für moderne Kunst derzeit im zumikon ausstellt, dann verwundert es nicht allzusehr, daß der dichtende Künstler auch auf so eine abseitige Frage kommt. Und diese sogleich zum Titel seiner Werkschau adelt.
Für sein kleinformatigen Werke verwendet Schmidt in der Beek bekannte Fotografien und Zeichnungen des 19 Jahrhunderts. Und wertet diese in aller Unverschämtheit noch einmal küntlerisch auf. Meist sind es das Komikerduo Stan Laurel und Oliver Hardy sowie diverse Micky Mouse und Donald Duck Figuren, die ihn bei diesen Vorhaben unterstützen.Auf die Kunstwerke geklebt, bohren sie in irgendwelchen Nasen von Fotoportraits herum oder lugen unter Damenröcke. Die Suche Schmidt in der Beeks, Fremdkörper in Kunstwerke einzubauen, hat offensichtlich auf das zumikon abgefärbt. Denn die Parallelausstellung von Ursula Kreutz passt thematisch erst einmal gar nicht dazu.
Im letzten August zog sie sich in den Nürnberger Reichswald zurück und verschmolz dort mit ihrer Umwelt - mittels Tarnkleidung und Tarnzelt in Baumoptik. Für die Dokumentation dieses Projektes hat sie nun die Wände und Fenster der Zumikonlounge mit lebens- und überlebensgroßen Aufnahmen von der Lichtung zugeklebt. Man entdeckt sie nicht sofort auf den Tapetenfotos, ihre Tarnkleidung hat sie tatsächlich fast unsichtbar gemacht. Hat man sie aber erst einmal entdeckt, wirkt sie fast wie ein Fremdkörper im Kunstwerk „Wald“. Vielleicht sind die beiden Ausstellungen ja doch nicht so unterschiedlich.

Ausstellung Dagmar Varady und Peter Muth genannt Dauphin, 30. September bis 13. November 2010

Unter dem Titel »Wolkenkratzer und Wolkenbilder« schrieb mt am 29.9.2010 in der Nürnberger Abendzeitung:

"Prinzipiell ist es so, dass ich meine Bilder nicht leiden kann.“ Es liegt an der Maltechnik für seinen Zyklus „Babylon“, die den Nürnberger Peter Dauphin genannt Muth, so sein offizieller Name, zu diesem doch recht kritischen Statement veranlasst. Mit winzigen Schablonen verklebt der Künstler in mehreren Schichten seine riesigen, mehrere Quadratmeter großen Grundflächen und spachtelt dann die winzigen Zwischenräume aus, so dass er erst am Ende, nach dem Abziehen der Schablonen, feststellen kann, wie nah – oder fern – die Werke seiner idealen Vorstellung sind. Die Motive des Babylonzyklus’: Großstadtsilhouetten. Im Zumikon, wo er am Donnerstag zusammen mit Dagmar Varady eine Doppelvernissage feiert, sind es die von New York und Shanghai. Je nach Betrachtungswinkel haben die Wolkenkratzer eine andere Farbgebung. Im krassen Gegensatz dazu steht sein beinahe monochromer Zyklus „Macht und Ohnmacht“, Nachahmungen berühmter Zeichnungen und Gemälde, die er lediglich mit ein paar Farbtupfern angereichert hat, wie bei „Gestern war gestern“.

Eine ganz andere künstlerische Welt öffnet sich im selben Gebäude nur ein paar Schritte entfernt im zweiten Raum. Dort sucht die Erfurter Medienkünstlerin Dagmar Varady nach der Schnittstelle zwischen Kunst und Forschung. Ihr kunst-wissenschaftliches Sujet der Ausstellung sind Wolkenbilder – ein Naturphänomen also, das die Meteorologen bis heute noch nicht entschlüsselt haben. Neben Rotstiftzeichnungen geht Varady das Thema außerdem mit zwei beschaulichen, fast schon meditativen Videos an. Das eine zeigt, wie auf La Gomera langsam der Nebel heraufzieht. Das andere lässt lediglich wissenschaftliche Texte über den Bildschirm fließen. Die laufen so schnell ab, dass man sich die lexikalen Inhalte intellektuell nur schemenhaft einverleiben kann. Eben wie Wolkenbilder.

Ausstellung Dagmar Varady und Peter Muth genannt Dauphin, 30. September bis 13. November 2010

Unter dem Titel »Die Giftfarben der Großstadt« schrieb Reinhard Kalb am 5.10.2010 in der Nürnberger Zeitung:

Zu den Stilleren im fränkischen Lande gehört der Maler Peter Dauphin genannt Muth. Das ist kein Künstlername, so steht es wirklich in seinem Pass. Und selbst dann fragen konsternierte Beamte: „Ja, wie heißen Sie denn nun? Dauphin oder Muth?“ Also nochmal: Der Künstler heißt „Peter Dauphin, genannt Muth“. In New York und Shanghai kennen ihn die Galeristen, hierzulande nur die Eingeweihten.

Menschenleere Metropolen: Manchmal tauschen in den Gemälden von Peter Dauphin genannt Muth weiße Seen und grüne Himmel die Farben, dann wieder schwebt ein Nashorn durchs Bild.

In der Lounge im Zumikon hängen zwei unterschiedliche Serien von ihm. Die eine präsentiert im vertikalen Großformat Ansichten von Metropolen wie New York und Shanghai. Aber nicht kreuzbrav realistisch abgemalt, sondern in wilder Zusammenstellung ihrer Architektur.
Tatsächlich verwendet Dauphin, genannt Muth Schablonen, die er mit einer raschen Spachteltechnik bearbeitet. „Das ergibt eine glatte Oberfläche mit verschiedenen Lichtreflexen, je nach Tageszeit und Lichteinfall.“

Nicht nur die Architekturen, auch die Farben tauschen die Plätze: weiß schimmert der See, grün der Himmel. Und im Himmelgrün schimmern wie Luftspiegelungen weitere Umrisse von Gebäuden. Manchmal schwebt auch ein Nashorn im Raum. Oder es ziehen sich Songtexte auf den Straßen dahin, die den Menschen das Menschsein absprechen. Denn das ist das Eigentümliche, das erst beim dritten Hinsehen auffällt: Dauphin, genannt Muths Metropolen sind menschenleer.
Die zweite Serie, betitelt „Macht und Ohnmacht“ widmet sich hingegen den Menschen und ihren Abgründen. Dauphin, genannt Muth zitiert darin Gemälde der Altmeister: „Judith und Holofernes“ von Caravaggio, „Medea“ von Delacroix, „Die Säge“ von Lukas Cranach. Allen Vorlagen gemeinsam ist eine unterkühlte Grausamkeit, die Dauphin, genannt Muth in seine Bildsprache übersetzt: Sämtliche Variationen greifen nur Ausschnitte aus den illustren Vorlagen auf, Raum und Figuren konzentrieren sich aufs Wesentliche. Außerdem beschränkt sich der Künstler auf die Figurenzeichnung, gibt aber nur einigen wenigen Details von Gewändern und Gegenständen Farbe. Der Rest verharrt in monochromer Deckfarbe, im Beigebraun der unbemalten Leinwand. Das gibt den Bildern den Zustand des Fragmentarischen, des gerade erst Begonnenen und nicht mal halbfertig Liegengelassenen. Wie Fundstücke aus dem hintersten Atelierwinkel. Und verleiht ihnen eine Rigorosität, die sie als „ausgemalte“ Werke nicht hätten.

Mit dabei im Studio des Zumikon, im Institut für moderne Kunst Nürnberg, ist Dagmar Varady. Ihr Lieblingsthema sind Wolken, ihre Flüchtigkeit und prinzipielle Unberechenbarkeit. Ihre Installation vereinigt mit dem Rotstift penibelst schraffierte Wolkenvisionen, einen Film, der Werden und Vergehen von Nebelfetzen im Mittelgebirge dokumentiert, sowie einen Leuchtkasten, der die künstliche Wolkenbildung auf Hightech-Niveau zeigt. Dazu vier Gehirne in Rötelzeichnung, die vermutlich Gedanken zur Wolkenbildung diffundieren. Das ist genauso genial und absurd zugleich wie Varadys Kunst.

Ausstellung Dagmar Varady und Peter Muth genannt Dauphin, 30. September bis 13. November 2010

Unter dem Titel »Forschungsreisen in die Großstadt« schrieb Birgit Ruf am 8.10.2010 in den Nürnberger Nachrichten:

Der Künstler Peter Dauphin, genannt Muth zeigt in der Lounge des zumikon eigenwillige Neuinterpretationen von Cranach-, Caravaggio- oder Delacroix- Motiven und seine besonders faszinierenden, unglaublich detailreich gestalteten Bilder von Weltmetropolen wie New York oder Shanghai. Menschenleer sind diese Ansammlungen von Hochhäusern, Straßenschluchten und Autobahnen. Wimmelbilder, die mit ihrer seltsam glatten Oberfläche bestechen - aufpolierte Urbanität. Das Geheimnis dieser schimmernden Glätte liegt in der Technik, die der Künstler seit geraumer Zeit anwendet: die Bilder sind nicht gemalt, sondern mit hunderten zum Teil winzigen nur erbsgroßen Schablonen auf die Leinwand gebracht: „Die Herstellung gleicht einem Schachspiel“, sagt der Künstler: Bein neben- und übereinanderkleben der Schablonen muß er die Bildkomposition immer viele Schritte vorausdenken. Eine Verherrlichung der Mega-städte mit ihrer Gigantomanie liegt ihm mit seinen schönen Ansichten aber fern. Nicht umsonst nennt er die Serie „Babylon“.
Die Künstlerin Dagmar Varady, die das Studio des Zumikon bespielt, hat sich ein ebenso faszinierendes wie flüchtiges Sujets für ihre künstlerische Betätigung auserkoren.Sie arbeitet an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft und gehört damit zu einer Generation von Künstlern die sich zunehmend in interdisziplinären Feldern bewegen.“Wolken sind ein Grenzphänomen. An ihnen beginnt und endet die Wissenschaft, beginnt und endet die Kunst, endet die Rationalität und beginnt das Irrationale“, sagt die 49 jährige und schließt daraus:
„ Sie sind das ideale Objekt auf der Suche nach den Grenzverläufen unseres irdischen Wesens.“
Im Ausstellungsraum zeigt Varady das Foto eines Wolkensimulators, ein Wolkennebel- Video aus Gomera und zwölf zeichnerische Annäherungen an „ihre“ Wolke. Die fotografierte sie auf einem Flug von Leipzig nach Wien. Dem flüchtigen Phänomen spürte sie mit zwölf großformatigen Zeichnungen nach, für die sie in Anlehneung an altmeisterliche Rötelzeichnungen rote Aquarellfarbe gewählt hat.

Ausstellung Felix Schramm und Sebastian Tröger, 15. Juli bis 18. September 2010

Unter dem Titel »Manche Vögel machen quasi Kunst« schrieb Christian Mückl am 16.7.2010 in der Nürnberger Zeitung:

Dass sich Menschen mitunter wie Tiere benehmen, ist bekannt. Es geht aber auch andersrum: Bei den Laubenvögeln zum Beispiel – das sind Piepmätze vom Amazonas – ist es so, dass die männliche Spezis turmartige Architekturen baut, deren Zweck nicht etwa in der Nutzung als Nest besteht. Vielmehr werben sie damit um Frauen. Wer den besten Turm anlegt, kriegt die Schönste. »Die Vögel machen quasi Kunst«, sagt Sebastian Tröger.
Der wiederum muss es wissen. Nicht nur, da er selbst Kunst macht. Seine jetzige Ausstellung im Nürnberger Zumikon hat der 1986 in Erlangen geborene Künstler gar um einen Laubenvogelturm am Flussgrundstück ergänzt. Mal sehen, ob er Weibchen anlockt. Oder wenigstens Besucher. Oder gar Galeristen.
Der verheißungsvoll archaisch geschlichtete Holzbau könnte als Lockstoff für das dienen, was im Studio des Zumikons zu sehen ist. Trögers Schau »Mountain Man« besteht erneut aus einem archaisch gebastelten Geflecht dünner Holzstäbchen, das sich filigran über drei Wände erstreckt. Alle seine Exponate, darunter ein Gemälde, zitieren in Form und Farbe assoziationsreich die Natur.
Mit Ausnahme seines Films. Er zeigt drei fiktive Charaktere, allesamt mit dem Kunstbetrieb verbandelt, wie sie referieren, zitieren, dialogisieren und lamentieren. Trögers gesunde Skepsis, ja heitere Distanz zu vorgefertigten Künstler-Rollen kommt dabei gut zum Ausdruck. Vielversprechend.
Was sich von den verstiegenen Beiträgen Felix Schramms, den das Institut für Moderne Kunst in der Lounge vorstellt, leider nicht behaupten lässt. So mögen die ortsbezogenen, »raumsprengenden« Arbeiten des 1970 geborenen Künstlers aus Düsseldorf andernorts Wirkung entfalten, wo sie als brachiale, doppelbödige Fetzen aus Bauschrott große Hallen durchteilen. Im Zumikon jedoch, wo Schramm mit nervtötend falsch leiernden Plattenspielern, Skulpturenbruch oder Baumarktkram einen »modellhaften Korridor« schaffen möchte, aus dessen »Bruchsituation sich was entwickeln kann«, wächst vor allem eins: Der Wunsch, diesen mit Belanglosigkeiten und spröden Theorien aufgeplusterten Ort alsbald wieder zu verlassen.

Ausstellung Verena Manz, 7. Mai bis 26. Juni 2010

Unter dem Titel »Sehenswerte Doppelausstellung im Zumikon« schrieb Birgit Ruf am 12.5.10 in den Nürnberger Nachrichten:

Mit froher Bestimmtheit bietet Verena Manz dem Betrachter ihr in jahrelanger Kleinarbeit entstandenes Paradies dar: Rund und bunt ist hier alles, die Gemälde und bemalten Häkeldeckchen an den Wänden, die veredelten Hüte und die stets offenen bunten Vogelkäfige, die Objekte und Skulpturen, die Manz aus Fundstücken baut oder aus Schichten von Zeitungspapier aubaut. Ein fröhliches Universum, an dem man sich ganz sicherlich nicht schnell satt sehen kann. Selbst wenn die Künstlerin für ihre übermanns- großen Figuren mit den knuffigen Händen und Füßen ausnahmsweise zur Farbe Weiß greift, ist die schrill: »Es ist Leuchtfarbe, erläutert die Künstlerin«.

Ausstellung Verena Manz, 7. Mai bis 26. Juni 2010

Unter dem Titel »Belebend, verstörend und leicht zu reinigen« schrieb mm/mur am 7.5.10 in der Nürnberger Abendzeitung:

Einen Knalleffekt setzt Verena Manz in der Lounge des Zumikon. Kunterkunst, die süchtig macht – auch die Nürnbergerin selbst. Ihre Figuren und Skulpturen entstehen aus Streifen von Zeitungspapier, in verleimten Schichten, was die runde Formen gibt, an denen Manz so lange weiterklebt, bis die Figur gerade noch durch die Wohnungstür passt. Figuren bekommen dann weiße Farbe und Klarlack als Überzug, „ weil’s leichter zu reinigen ist.“ Auf Skulpturen und Objekte kommt hingegen eine Farbhaut, für die knallbunt als Beschreibung nicht reicht: Manz liefert Detonationen in Neon, nach denen man gern mal zehn Minuten grau sähe. Belebend.

Ausstellung Verena Manz, 7. Mai bis 26. Juni 2010

Unter dem Titel »Kunst, die kickt, kurz bevor was kippt« schrieb Christian Mückl am 6.5.10 in der Nürnberger Zeitung:

Nicht nur farblich betrachtet kommt die Parallel-Ausstellung von Verena Manz in der Zumikon-Lounge einem Besuch in der Villa Kunterbunt gleich. Wobei selbst Pippi Langstrumpf vergleichsweise noch lahmt, was die Präzision der mit Tagesleuchtfarben bemalten, von Manz selbst geformten oder verfremdeten Traumzimmer-Einrichtung betrifft.
So präsentiert die 1962 geborene spätere Meisterschülerin von Werner Knaupp ihre Schau als Trip ins Wunderland quietschender Farben auf kindlich-sanft geformtem Objekt: Da ist etwa der »Schaukelstuhl für Unbetuchte«, den die Künstlerin wohlmeinend mit Handtüchern umwickelt hat. Da haben Bälle und Buchstaben Füße, sind Tapeten Hymnen auf den Klecks – und weil die Künstlerin Vogelkäfige im geöffneten Zustand am schönsten findet, fehlen ihr zwar die Piepmatze, dafür hat sie deren Behausungen mit Schleifchen verziert.
Dass ihre dem grauen Alltag entgegengereckten Gehstöcke für Senioren schon aufgrund der Farbgebung Signalwirkung haben, fügt sich ebenso ins Bild ihres bunten Budenzaubers wie die flirrende Malerei. Kein Wunder, dass ihre Kunst bereits auch in Krankenhäusern wie dem Klinikum Nord Eingang fand, um die Gemüter anzustrahlen. Im Zumikon gibt es sie auch ohne Rezept.

Ausstellung Bianca Schelling, 5.3. bis 24.4.2010

Unter dem Titel »Kunst-Welt zwischen Illusion und Wirklichkeit« schrieb Regina Urban am 10.3.10 in den Nürnberger Nachrichten:

Sind bei Kempf die einfachen Dinge der Alltagswelt Ausgangspunkt ihrer Kunst, so dienen Bianca Schelling Triebwerke und formvollendete Calatrava-Architekturen als Vorlagen für ihre großartigen Tuschemalereien. Ausschnitthaft herangezoomt erscheinen die technischen Konstruktionen beinahe wie ornamentale Gebilde oder Skulpturen, deren spannende Farbdramaturgie zwischen Hell und Dunkel, Licht und Schatten oszilliert. Je eigenwilliger und extremer die Perspektive ist, die Schelling dabei wählt, desto abstrakter erscheinen ihre Motive. Die gebaute Welt verdichtet sich in ihren Bildern zu faszinierenden Formschöpfungen, die manchmal so düster-erhaben wie gothische Kathedralen anmuten und immer von größter ästhetischer Spannkraft sind.

Ausstellung Bianca Schelling, 5.3. bis 24.4.2010

Unter dem Titel »Wehe, wenn der Ventilator« weht« schrieb Reinhard Kalb am 4.3.2010 in der Nürnberger Zeitung:

Erster Eindruck: Wo sind wir hier? Befinden wir uns in einem Kraftwerk megalomanischen Ausmaßes? Oder stecken wir unter einer Motorhaube und inspizieren den Kühlergrill? Bianca Schellings Gemälde präsentieren gigantische Turbinen, Ventilatoren und Windkanäle mit Kabeln und Rohren. Ihre Maltechnik (mehrere Lasuren Tusche auf Aluminium) verleiht den Industrievisionen bei aller Schwere etwas Leichtes, quasi Organisches. Allerdings verweigert Bianca Schelling jeden Größenmaßstab. Kein Mensch, kein Lebewesen verirrt sich in ihre High-Tech-Kammern. Dasselbe gilt für ihre architektonischen Visionen. Lange Fluchten, überdacht von geschwungenen Trägern aus undefinierbar metallischer Substanz, deren Staffelung sich im Unendlichen verliert. Ruinenromantik nach dem Aussterben der Menschheit? Ein kalter Hauch aus «Metropolis» durchzieht Schellings Gemälde, auch wenn die Künstlerin zugibt, Fritz Langs Meisterwerk nie gesehen zu haben.

Ausstellung Bianca Schelling, 5.3. bis 24.4.2010

Unter dem Titel »Wo Milchtropfen über die Landstraßr rasen« weht« schrieb daer am 4.3.2010 in der Nürnberger Abendzeitung:

Drauf- und Einsichten von Triebwerken, Windkanälen und futuristischen Bahnhöfen dienen Bianca Schelling als Vorlage für ihre atemberaubend genaue Tusche-Malerei, die nichts mit Fotorealismus zu tun haben will. ... Sie ist von Licht und Schatten fasziniert und modelliert verheißungsvoll-bedrohliche Kathedralen mit himmelwärts gerichteter Gotik, als seien sie neue Film-Kulissen für unheimlichen Metropolis-Expressionismus.

Ausstellung Reynold Reynolds: Films; 11. Dezember 2009 bis 13. Februar 2010

Unter dem Titel »Vom falschen Leben durchpulst« schrieb Georg Kasch am 11. Dezember 2009 in der Nürnberger Abendzeitung:

Mit altmodisch gewordenem Super-8- und 16-Millimeter-Material schafft Reynolds raumtiefe Bilder von Verwesung und Vergehen, von Leiden und Tod, die die Kraft und Ruhe barocker Stillleben atmen. Vielleicht lag es an ihnen, dass Gerhard Falkner, dichtender Wahl-Berliner und Teilzeitfranke, mit Reynolds zusammenarbeiten wollte. Entstanden ist so nicht nur der Kontakt zum Zumikon-Team, sondern auch der „Letzte Tag der Republik“: Während im Zeitraffer Abrisskräne reptiliengleich die letzten Betontürme des einstigen Palasts der Republik zerknabbern, spricht Falkner Verse von einer Wucht, die Shakespeare mit Heiner Müller versöhnen und Berlin mit dem antiken Karthago gleichsetzen. Dokumentarisch ist das und zugleich ein großes Menschheitsdrama, verdichtete Zeitgeschichte, filmisch kongenial aufgefangen.

Ausstellung Reynold Reynolds: Films; 11. Dezember 2009 bis 13. Februar 2010

Unter dem Titel »Beiläufig brennen die Betten« schrieb Christian Mückl am 10. Dezember 2009 in der Nürnberger Zeitung:

Das Institut für moderne Kunst kann sich glücklich schätzen, den aus Alaska stammenden, in Berlin lebenden Künstler (Jg. 1966) anhand dreier packender Filmattacken im Nürnberger Zumikon vorzuführen. Der Kontakt kam über den fränkischen Lyriker Gerhard Falkner zustande, der heute ebenfalls in der Hauptstadt wohnt und mit dem ungewöhnlichen Kunstfilmer befreundet ist.

Das Meisterwerk aber heißt »Burn« (2002). Hier setzt Reynolds, was das sprachlose Erkalten der Gefühle betrifft, noch eins drauf. Ein Mann wird gezeigt, der eine blonde Frau anzündet, die im Bett schläft. Bald greift das Feuer auf das Gebäude über – was Reynolds mit abgründig schönen Bildern tanzender Flammen vermittelt, aber auch mit beißender Irritation. Denn nebenan haust das nächste Paar. Vom Feuer allenfalls »leicht genervt« schweigen Mann und Frau weiter vor sich hin, während ihre Betten längst brennen …

Ausstellung Agnes Ritli, 8. Oktober bis 28. November 2009

Unter dem Titel »Aus Luftschlössern in Wartesäle der Zauberei« schrieb Georg Kasch am 8. Oktober 2009 in der Nürnberger Abendzeitung:

Bei Agnes Ritli, Nürnberger Akademiestudentin, besitzt das Fernweh noch Romantik: Feinste Bleistiftzeichnungen im Kleinformat zeigen Meerszenen und Venedig, im Raum hängt ein Segel. Romantisch auch das Verhältnis von angedeuteter Natur und Betrachter bei späteren Arbeiten, die aus Silhouetten und Andeutungen bestehen – Caspar David Friedrich zum Weiterdenken.

Ausstellung Agnes Ritli, 8. Oktober bis 28. November 2009

Unter dem Titel »Bis der letzte Blickfang fällt« schrieb Christian Mückl am 7. Oktober 2009 in der Nürnberger Zeitung:

Klaren Strichs schafft die Nürnberger Künstlerin karge Bildgeschichten über Alltägliches. Bis an die Grenzen des Figürlichen tastend gleichen ihre Werke Liebkosungen des Papiers, deren Reiz im Unausgesprochenen liegt.

Ausstellung Giorgio Hupfer
Vom Schätzesammeln und vom Sorgen

Unter dem Titel »Hupfers heilsame Handschrift« schrieb müc am 17.9.2009 in den Nürnberger Nachrichten:

Giorgio Hupfer war in Indien. Weg vom Nürnberger Kulturbetrieb: Einkehr halten, Schriften lesen, »den Spirit spüren: Wow!«

Aber auch ein lebendes Gesamtkunstwerk muss halt mal wieder nach Hause. Das ist dann hart. Zumal während der Wirtschaftskrise. Die flog dem vielseitigen Kulturpreisträger flott um die Ohren: »Geh’ dann mal auf die Bank, noch dazu als Künstler.« Selbst mit viel Spirit kommt man dort nicht mehr weit.

Also hat Hupfer wieder Einkehr gehalten – aber nun im Muggenhofer Atelier. Hat wieder Schriften gelesen. Und gestutzt: Denn was er las, traf den Knackpunkt der Krisen-Hysterie im Kern. Sätze wie »Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen« oder »Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat«, kamen der indischen Weltsicht recht nah – und waren doch uraltes christliches Gedankengut. Hupfer las das Kapitel »Vom Schätzesammeln und Sorgen« im Neuen Testament.

Weil er aber nun mal eine Künstlerseele hat und nicht die eines Predigers, weil er noch dazu die selten gewordene Kunst einer markanten Handschrift pflegt, zelebrierte Hupfer als alter Stilist des Erhabenen die Entdeckung auf seine Art: Er fertigte 16 Schriftbilder an, in denen er, beinahe kalligraphisch, die erbaulichen Bibelsätze auf Büttenpapier bannte. Indischen Meditationstafeln ähnlich hat Hupfer die Worte über den schnöden Mammon beseelt mit Bleistift ins Bild gesetzt. Eine »Übung«, noch für den Betrachter: »Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz«.

Jubiläumsausstellung »Die unendliche Schleife / 10 Jahre zumikon – 101 Jahre Max Bill«, 20. Juli bis 29. August 2009

Unter dem Titel »Ein großer Kunsttraum und was daraus wurde« schrieb Regina Urban am 17. Juli 2009 in den Nürnberger Nachrichten:

Am Sonntag feiert das Zumikon in der Großweidenmühlstraße 21 seinen 10. Geburtstag. Mit dem Haus, erbaut nach einem Entwurf des Schweizer Künstlers Max Bill, hat sich der Nürnberger Immobilieninvestor und Kunstförderer Volker Koch einen »Traum« erfüllt. Kunst, Kultur und kommerzielle Nutzung sollten hier eine fruchtbare Symbiose eingehen. Anlässlich des Jubiläums haben wir nachgefragt, was aus dem Traum geworden ist.

Als das Zumikon im Herbst 1999 feierlich eröffnet wurde, startete für Volker Koch ein »kultureller Selbstversuch«. Der kunstsinnige Bauherr, der sich zuvor schon als Sponsor des renommierten Renta-Preises einen Namen gemacht hatte und Ehrenmitglied der Nürnberger Kunstakademie ist, betrachtete den »Zumikon Art Club« (der etwas elitär klingende Zusatz wurde bald gestrichen) von Anfang an als »Experimentierbühne«.

Auf ein starres Konzept wurde bewusst verzichtet, nur die Raumnutzung war klar geregelt: Im Erdgeschoss zwei zum Garten hin offene Schauräume für die Kunst, dazwischen ein Restaurant, im ersten Stock der »First Floor«, eine Mischung aus Kunstverkaufsladen und Galerie. Dazu sieben Appartements vorzugsweise für Stipendiaten und Künstler, die zu Gast in der Stadt weilten, und unterm Dach das luftig-lichte Attikageschoss für Tagungen und Kulturveranstaltungen aller Art.

Bereits nach anderthalb Jahren musste Koch feststellen, dass das Experiment fürs erste schief gelaufen war. Die Kunst, in Gestalt der Galerien Birner + Wittmann und Kohlenhof, war wieder ausgezogen, kurz darauf schloss der »First Floor« mangels Nachfrage. Vor allem letzteres war für Koch »eine Enttäuschung«, sollten in der von Verena Waffek, Helga von Rauffer und Eva Schickler betriebenen Ladengalerie doch alle Fäden des Hauses zusammenlaufen.

Auch Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte, Comedy und Künstlergespräche waren bald passé. Längst sind das Dachgeschoss und die Appartements als Büros vermietet. Es war nicht zuletzt die »liebe« Nachbarschaft, die der schönen Idee vom lebendigen Kulturhaus einen Strich durch die Rechnung machte. Auf Beschwerden wegen Ruhestörung folgte die Forderung seitens der Stadt, das Haus als Hotel auszuweisen. Seitdem gibt es hier keine Gästewohnungen für Künstler mehr. »Das mussten wir leider sein lassen, die Auflagen für einen Hotelbetrieb wären zu hoch gewesen«, bedauert Koch.

Viele Gründe also, das Handtuch zu werfen. Das Zumikon als rein gewerbliches Mietobjekt weiter zu betreiben, kam für Koch jedoch nie in Frage. Zwar dominiert in seinem »Traum«-Haus derzeit die nicht-kulturelle Nutzung in einem Ausmaß, mit dem auch er nicht ganz glücklich ist, der Ausstellungsbetrieb aber hat dauerhaft überlebt. Nach einer Interimsbespielung der Schauräume durch vier Nürnberger Galerien holte Koch 2003 mit dem Institut für moderne Kunst einen Ausstellungsmacher ins Studio, der Qualität und Kontinuität versprach. Seitdem wird hier regelmäßig zeitgenössische Kunst aus dem deutschsprachigen Raum und darüber hinaus präsentiert, während die von Verena Waffek kuratierte Lounge gegenüber für junge Künstler aus der Region reserviert ist. Insgesamt über 70 Ausstellungen, großzügig unterstützt vom Hausherrn und seiner Kochinvest-Gruppe, haben das Zumikon seitdem als feste Größe in der hiesigen Kunstszene etabliert.

Und auch die anfänglichen »Störeffekte« mit der Gastronomie, die sich mit der Kunst nicht so vertrug wie erhofft, sind vorbei, seit Charlotte von Elm, selbst Künstlerin und Hobbyköchin, zusammen mit ihrem Mann das Restaurant im Zumikon, kurz: »r.i.z.«, 2007 übernommen hat. Das Pächterpaar betreue die Ausstellungen sehr engagiert und beziehe bei seinen kulinarischen Veranstaltungen die Kunst explizit mit ein, ist Koch voll des Lobes. Einziges Manko: Das wunderschön im Grünen gelegene Restaurant öffnet jetzt nur noch für private Feiern, während der knapp bemessenen Ausstellungszeiten (dienstags bis samstags von 17 bis 20 Uhr) gibt es lediglich Getränke.

Koch macht keinen Hehl daraus, dass er eine Art Museumscafé mit ganztägigen Öffnungszeiten bevorzugen würde. Doch es war nie sein Stil, den Hausbewohnern reinzureden: »Kinder entwickeln sich auch nicht immer so wie die Eltern sich das vorstellen. Man muss offen sein für Überraschungen.« Auch wenn das Zumikon heute nicht ganz dem Ideal seines »Vaters« entspricht, so ist Volker Koch trotzdem »zufrieden und sogar ein bisschen glücklich« über das, was da an der Pegnitz gediehen ist. Am Sonntag (ab 15 Uhr) soll deshalb auch ganz unbeschwert gefeiert werden bei einem Sommerfest mit Musik, Reden und einer großen Geburtstagsschau mit Plakatwerken von 45 Künstlern.

Jubiläumsausstellung »Die unendliche Schleife / 10 Jahre zumikon – 101 Jahre Max Bill«, 20. Juli bis 29. August 2009

Unter dem Titel »Zumikon: Jubiläums-Ausstellung und Sommerfest« schrieb Christian Mückl am 17. Juli 2009 in der Nürnberger Zeitung:

Zehn Jahre Nürnberger Zumikon, dazu 101 Jahre Max Bill – ergibt das nicht mindestens Kunst-Geschichten aus 1001 Nacht? Und überhaupt: Wie kriegt man das als Jubiläum verpackt? Hinter den Mauern des Max-Bill-Baus Zumikon, seinem Werk an den Gestaden der Pegnitz, hat die Lösung des Problems nun einen Namen. Sie heißt vielversprechend »Die unendliche Schleife«. Und diese bindet sowohl posthum den Architekten als auch aktuell rund 50 künstlerische Zumikon-»Gäste« der letzten zehn Jahre ein.

Seitdem Mäzen Volker Koch 1999 seine Vision wahr werden ließ und beschloss, das Prachtgrundstück am Fluss nicht durch den Bau neuer Luxuswohnungen zu versilbern, sondern an der Großweidenmühlstraße 21 lieber nach Plänen des Schweizer Malers, Bildhauers und Bauhaus-Architekten einen Kunst-Ort entstehen zu lassen, war viel los. Es fanden mehr als 50 Ausstellungen statt, dazu Konzerte, Lesungen, Kultur-Spektakel aller Art – zwei Mal sogar Gottesdienste. Außerdem nutzten Künstler die Atelierwohnungen im Obergeschoss als Unterkunft.

Zur Jubiläums-Ausstellung nun – und zum bevorstehenden Sommerfest am Sonntag – hat ein Großteil der früheren Zumikon-Künstler eine »endlose Schleife« erschaffen, indem ein jeder sein ganz individuelles Ausstellungsplakat entwarf. Oftmals witzig, mitunter recht frech im Ergebnis, war der Max-Bill-Bezug die einzige Vorgabe. Was dabei heraus kam, kann man jetzt wiederum in der Lounge und im Studio sehen, denn die Plakate wurden zu mehreren Schleifen verbunden und baumeln nun im Gebäude, das übrigens nach dem Zürcher Stadtteil benannt wurde, in dem Bill zuletzt wohnte.

Und wo er 1994 starb – so dass Kollegen sein geplantes Werk an der Pegnitz vollendeten. Umso schöner, dass der auch philosophisch agile Schweizer Schlaukopf (geboren 1900) nun in der Nürnberger Schleifenlösung nochmal aufleben darf – denn die Idee einer »Linie, die durch eine Schleife zur Unendlichkeit führt« wurde ja ebenfalls von ihm in die Welt gesetzt.

Künstler Christoph Haupt rückt auf seinem Plakat neben dem Vorschlag »Die Kunst braucht rechte Winkel« auch den Gegenvorschlag »Hauptsache Bill-ig« ins Bild. Auch der Wortkünstler Gerhard Falkner will auf Mehrdeutigkeiten hinaus – wo »Bill» doch nicht nur ein Nachname ist, sondern auf Englisch auch »Rechnung« heißt. Den Mäzenaten vor Augen, der wiederum sein Geld als Immobilienunternehmer verdient, ließ Haupt ein Plakat drucken, auf dem »Volker Builds The Bill« der Aussage »Volker Pays The Bill« gegenübersteht.

Aber es stimmt ja. Dass eine Kuratorin wie die Künstlerin Verena Waffek gut fünf Mal pro Jahr regionale Künstler in die Lounge einladen kann, während parallel dazu im Studio das Institut für Moderne Kunst neue Kunst aus dem In- und Ausland präsentiert, ist nur möglich, weil der Hausherr privates Geld ins »Experimentierkästchen«, wie er das Gebäude liebevoll nennt, steckt.

»Gerade in Zeiten nicht prall gefüllter öffentlicher Kassen ist privates Engagement wertvoller denn je«, bekundet ihm OB Ulrich Maly Hochachtung dafür: »Mit dem Zumikon hat Volker Koch ein Kulturinstitution geschaffen, die einen ganz eigenen Charakter besitzt.«

Doch den gäb’s natürlich kaum ohne Künstler. Beziehungsweise die, die im Zumikon auch mal was Gewagteres zeigen. Manches davon ist quasi unbezahlbar – auch in der Erinnerung. So denkt etwa Manfred Rothenberger vom Kunst-Institut noch gut daran, wie ihm die Präsentation von Michael Sailsdorfer schlaflose Nächte bescherte. Der hatte für sein Werk »Zeit ist keine Autobahn« mit einer Reifenabreibemaschine zwei Ausstellungs-Monate lang dauernd Auto-Pneus gewetzt. Jedenfalls stank es so stechend nach Gummi, dass Rothenberger eine Beschwerde seitens der Restaurantbetreiber im Zumikon befürchtete, mit dem Ergebnis »der Volker Koch schmeißt mich hier noch raus«. Der wiederum dachte nicht im Traum daran – und freut sich noch heut.

Jubiläumsausstellung »Die unendliche Schleife / 10 Jahre zumikon – 101 Jahre Max Bill«, 20. Juli bis 29. August 2009

Unter dem Titel »Wechselnde Liebschaften« schrieb daer am 17. Juli 2009 in der Nürnberger Abendzteitung:

Das quergelegte Unendlichkeitssymbol dient Ausstellungsarchitekt Andreas Oehlert als Raumteiler und Jubiläumssignal: Die Schleife passt zum Festanzug. Theorie-Statements von Bill wurden 48 Künstlern als Kreativ-Knetmasse hingeworfen. Eva von Platen lässt – »Form ist alles, was wir sehen« – eine einäugige Katze groß gucken. Ulrich Emmert geht mit »Kill Bill« und Uma Thurman gegen einen Bill-Leitsatz vor: »Ich versuche, eine Gegenwelt aufzustellen gegen die Konfusion, in der wir heute leben.« Und Autor Gerhard Falkner stößt mit seinem Entwurf in Konkrete Poesie vor: »Volker builds the Bill, Volker pays the Bill.«
Gemeint ist der Nürnberger Immobilienunternehmer Volker Koch, der Bill für sein Projekt auf der »Schnittstelle zwischen Kultur und Wirtschaft« begeisterte Ein »Experimentierkasten« öffnete sich mit »wechselnden Liebschaften«, also Mietern, und Ideen, mit Gottesdiensten und Lesungen, 157 Ausstellungen und »zwischen 10000 und 100000 Besuchern« in zehn Jahren. Für Manfred Rothenberger (Institut für moderne Kunst) ein »unglaubliches Modellprojekt« bürgerlichen Engagements. Für Koch ein »tägliches Lebensmittel«: »Wenn ich im Grünen leben will, muss ich meinen Garten pflegen.«

Ausstellung »Burkard Blümlein: Vorgeschichten, Nachbilder«, 8. Mai bis 27. Juni 2009

Unter dem Titel »Gelochte Geschichten, verwüstete Zeit« schrieb GK am 28. Mai 2009 in der Nürnberger Abendzeitung:

Der gebürtige Franke (Burkhard Blümlein), der an der Nürnberger Kunstakademie studierte, verleiht jedem Ding eine ebenso zärtliche wie streitbare Poesie: der im Krieg brandbefleckten Tasse, dem zerkratzten Tisch, zerlöchertem Pressholz. Sie alle erzählen Geschichten. Man muss sie nur lassen.

Ausstellung »Burkard Blümlein: Vorgeschichten, Nachbilder«, 8. Mai bis 27. Juni 2009

Unter dem Titel »Die Schönheit in den Spuren des Alltäglichen« schrieb müc am 7. Mai 2009 in der Nürnberger Zeitung:

Burkhard Blümleins Kunst hat etwas Mönchisches: Sein Zerbrechen von Porzellan, um es wieder zusammenzufügen. Sein Zerkratzen von Glas, um es abzuzeichnen. Das Sichtbarmachen von Spuren.

Akzeptiert man Blümleins Position, wonach ihm zeitgenössische Kunst oft »unglaubwürdig» erscheint – als er studierte, waren zum Beispiel die bizarren Gemälde der »Neuen Wilden» en vogue –, kann man seine Suche nach Essenz in jeder gekitteten Tasse, jeder geflickten Decke, jeder perforierten bunten Plastikflasche, die er im Kunst-Raum des Zumikons »Bild werden» lässt, sehen: »Ich will nur tun, was ich verantworten kann.»
Das ist nicht viel. Mit der rosenkranzartigen Kette, auf ein Radwerk gehängt und »Perlenzähler» betitelt, ist wohl auch sein Kunstbegriff benannt: Zwischen Minimalismus und Zen. Will man ihm Böses, sagt man Beliebigkeit, wenn nicht, dann womöglich Bescheidenheit dazu, wie er dezent Alltagskram, Mobiliar, Murmeln oder ein perforiertes Straußenei im Raum drapiert, damit es, »Gesprächen» gleich, im Raum »korrespondieren» kann. Dass Blümlein seinen asketischen Prozess des Schaffens über das Ergebnis stellt, schließt Ästhetik nicht aus. Nicht im Zumikon – wo sein Elfenbeinturm offene Türen hat.

Ausstellung »Dorothee Berkenheger: Routing«, 6. März bis 25. April 2009

Unter dem Titel „Außerirdische im hölzernen Labyrinth“ schrieb daer am 5. März 2008 in der Abendzeitung Nürnberg:

Dorothee Berkenheger (...) liefert bei ihrer Nürnberg Rückkehr eine Premiere. „Routing“ ist ein hölzerner Verkehrskreislauf in Unschuldsweiß, der sich mit all seinen Kurven, Brücken und Kreuzungen Loopings sparen kann. Modellkonstruktion auch so. Eine 3D-Zeichnung, die ornamentale Züge hat. Und spielerische. Mitspielen ist bei der Leihgabe aus dem Kinderzimmer jedoch nicht erwünscht: Betreten der Fahrbahn verboten!

Ausstellung »Doris Marten: SEQUENCES«, 12. Dezember bis 7. Februar 2009

Unter dem Titel »Die Streifenmalerin und der Fadenkünstler« schrieb R.U. am 16. Dezember 2008 in den Nürnberger Nachrichten:

Martens akribisch gemalte Farbgeflechte aus Streifen mit Klebebandanmutung folgen zwar einem genauen Ordnungssystem, wirklich habhaft wird man dieser Ordnung jedoch kaum. Die permanente Verschiebung von Streifen und Farbintervallen verleiht ihren Bildwerken, die aus einer Vielzahl seriell gestapelter oder gehängter Elemente bestehen, eine flirrende Dynamik. So betreibt die Künstlerin ein raffiniertes Spiel mit dem visuellen Effekt, bei dem sie auch mal Malerei vortäuscht, wo tatsächlich nur leere Wand ist.

Ausstellung »Thilo Westermann«, 4. Juli bis 5. Oktober 2008

Unter dem Titel »Vergänglichkeit, Erotik und purer Luxus« schrieb R.U. am 10. Juli 2008 in den Nürnberger Nachrichten:

Auch bei Thilo Westermann, der als Meisterschüler bei Michael Munding studierte und in der Zumikon-Lounge ausstellt, ist der Tod allgegenwärtig. Der 27-Jährige inszeniert Blumen und Pflanzen in akribisch naturgetreuen Buntstiftzeichnungen und hochartifizieller Hinterglasmalerei als Boten der Vergänglichkeit. An aufgespießte Schmetterlinge erinnern die Phloxblüten, schon im Zustand des Verwelkens. Zum barocken Vanitas-Motiv von unnahbarer Schönheit gerinnt das Arrangement von Bouquet, Madonnenbild und Gucci-Flasche in einer Hinterglasmalerei auf tiefschwarzem Grund. Puren Luxus verströmt dieses Bild, in dem die Natur zum Kunstgeschöpf domestiziert ist und der Narziss-Mythos, auf den sich Westermann bezieht, auch in der spiegelnden Oberfläche aufscheint.

Ausstellung »Thilo Westermann«, 4. Juli bis 5. Oktober 2008

Unter dem Titel »Skelett und Rose« schrieb Georg Kasch am 4. Juli 2008 in der Abendzeitung Nürnberg:

… die Vergegenwärtigung der Vergänglichkeit: Alles ist eitel. Seine atemberaubend präzisen Blumenstillleben atmen barocke Lust und Tod. Zart entfaltet sich die Rose als Buntstiftimitation kurz vor dem Verblühen. Eitelkeit auch in seinen Hinterglasmalereien: Ein Markenparfüm oder eine kunsthistorische Anspielung betonen Luxus und Einzigartigkeit, aber auch konsumierbarkeit der Bilder. Nicht zufällig spiegelt sich der Betrachter in der Oberfläche – Narziss is watching you.

Ausstellung Thilo Westermann, 4. Juli bis 5. Oktober 2008

Unter dem Titel »Ab in den Wald, zurück ins Atelier« schrieb Reinhard Kalb am 3. Juli 2008 in der Nürnberger Zeitung:

So arrangiert Thilo Westermann bunte Blumen zu einem schönen Strauß und malt sie ab als Hinterglasmalerei – in glänzendem Schwarzweiß. Helldunkel-Werte erziehlt der Student der Philosophie und Kunstgeschichte durch minuziöse Punktierung. Parfümflakons, Familienfotos und Spiegelungen vervollständigen die Stillleben und greifen die hochartifizielle Ästhetik der Werbung auf. Glasklar, eiskalt, künstlich bis zur Synthetik.

Ausstellung »Johannes Kersting: Feldforschung«, 18. April bis 20. Juni 2008

Unter dem Titel »Spiel mit natürlichen und virtuellen Schatten« schrieb Bernd Zachow am 24.4.08 in den Nürnberger Nachrichten:

Das Zeichnen versteht Nanne Meyer als ein „Denken mit dem Stift in der Hand“, als einen Versuch, dem Flüchtigen Form und Dauer zu verleihen. Das scheint bei ihr manchmal fast automatisch abzulaufen. Der Zeichenstift rennt förmlich über das Papier, eine dichte Textur aus anmutigen Wellenlinien hinterlassend, oder ein labyrinthisches Gefüge geometrischer Figuren. Daneben gibt es jedoch auch Blätter, die von einem zähen Ringen zeugen, von einer geduldigen Suche nach Kontur und Gestalt. Nachvollziehbar sind Phasen des Innehaltens, des Abwägens und Auswählens. Das Ziel ist eine Komposition, in der sich Spontaneität und Ordnung, Gegenständlichkeit und Abstraktion verbinden. ... Um Kunst als Produkt der menschlichen Vorstellungskraft geht es auch bei Johannes Kersting. Der Mittelpunkt seiner Präsentation ist ein Stück Scheinarchitektur, bestehend aus einer an die Galeriewand projizierten Computeranimation und ein paar Styropor- Teilen. Die Illusion ist keineswegs perfekt. Bei näherem Hinsehen offenbaren sich gewisse Material-Ambivalenzen und seltsame Widersprüche zwischen natürlichen und virtuellen Schatten. Doch dem Künstler geht es auch nicht um vollkommen vorgetäuschte Wirklichkeit, sondern vielmehr um einen Hinweis auf die Wirklichkeit der Täuschung. Auch Kerstings Zeichnungen und Tafelbilder beweisen die Macht der Imagination, die im kleinen Ausschnitt, im symbolhaften Detail das große Ganze zu erkennen vermag.

Ausstellung »Johannes Kersting: Feldforschung«, 18. April bis 20. Juni 2008

Unter dem Titel »Frau Meyer schwärzt das Hafenviertel« schrieb Christian Mückl am 18.4.08 in der Nürnberger Zeitung:

Manche Künstler geben Bildern komische Namen. Johannes Kersting hingegen gibt komischen Namen Bilder. »Feldforschung« ist zum Beispiel so ein Begriff, der Kerstings Fantasie beflügelt: Also sehen wir einen Forscher im Spargelfeld, den Kersting mit feinem Bleistiftstrich zu Papier gebracht hat. Andere Wortbilder aus dem Vokabelheft deutscher Bürokraten, »Straßenstück« etwa, oder »Kanalabschnitt«, dienen dem jungen Künstler für weitere Blätter im Nürnberger Zumikon als Steilvorlagen. ...
Ist sie (Nanne Meyer) von allen guten Geistern verlassen? Oder ist das Gegenteil der Fall? Auf vergilbten Panorama-Landkarten der Schweizer Alpen hat Meyer Gebirgszüge so herausgearbeitet, dass diese zu Gespenstern mutieren. Passt der eidgenössischen Bergwelt übrigens nicht mal so schlecht in die Visage ...